Welcome back to the real world

Ich war seit Mar del Plata im juni auf entzug und konnte auf den Falklands auch clean bleiben. Diese schlimme droge, das zwischennetz, ist schon recht zeitintensiv und der rausch hält wie bei crack nur für kurze zeit an. Ich bin nicht auf fakebook oder ähnlichem, in keiner community muss ich pseudofreunde generieren, die segelforen sind auch nicht mehr aufputschend, eher bemitleidenswert. Auf den kalten inseln war das surfen zu teuer, aber wieder in europa ist das internet so gut wie frei. Damit meine ich den zugang und nicht den gefilterten zensierten inhalt.

Also verbringe ich die ersten wochen nach meiner rückkehr mit einem intensiven update meiner alten informationsquellen. Meine liste von segelblogs und vlogs benötigte viele stunden und tage. Auch hat sich meine sichtweise auf den einen oder die andere person verschoben. Da wurden viele berichterstatter auf B und C herabgestuft und andere sind aufgestiegen.
Was passiert woanders und wo befinden sich die anderen segelreisenden? Vielleicht kann ich sie im wahren leben mal am ankerplatz treffen. Aber besonders nervig empfinde ich die ‘riesigen’ probleme, die andere auf ihrer reise haben. Ein ölfilterwechsel füllt da schon mal zehn minuten filmzeit und am ende hat der held mit den schmutzigen op-handschuhen erschöpft gewonnen. Da klopfen sich paare gegenseitig auf die schulter, nachdem sie den schweren sturm vor anker überlebt haben, bei bis zu dreißig knoten wind. Lebensgefährliche manöver werden veranstaltet, im sitzgurt von der frau per winsch geliftet, um ein leuchtmittel im mast zu tauschen, unglaublich aufregend und spannend, vielleicht für die sofasegler.

Ich möchte hier nicht noch weiter in diese themen hineingehen und ich will auch nicht überheblich klingen. Solange man keine erfahrungen außerhalb des wohnbereiches gemacht hat, ist fast alles ein projekt, eine herausforderung und oft ein abenteuer. Nur ich habe mich herausgewagt und dabei oft in die scheiße gegriffen, viele glitschige erfahrungen habe ich jetzt mehr. Mein reizlevel ist höher als vor einem jahr, als vor dreien. Das bringt eine segelreise mit sich und ich empfinde es als gut. Wer kann sich heute noch an sandkuchenformen in der sandkiste begeistern, wenn es außerhalb der box viel mehr zu sehen und zu erleben gibt.

Aber zurück zu den videoblogs, da ist mir auch einiges aufgefallen. Blogs mit freizügigen introbildern haben mehr aufrufe, tiefe einblicke noch mehr, nur im blog gibt es diese introbilder gar nicht. Da wird der skipper zum zuhälter, der die mitseglerin zur fleischbeschau freigegibt, muss doch die kohle irgendwie an bord kommen.
Die drei b’s: bikini, boobs und blankziehen in kombination – das erzeugt richtig viele klickzahlen. Nur auf dauer geht es nicht gut und die meisten zuschauer sind dann wohl doch sabbernde herren mit heruntergelassener hose, ein rohrkrepierer am segelbloghorizont.
Und wenn nicht mit ‘sex sells’, dann wird mit überflugfilmchen das leben an bord aufgepimpt oder das bewachsene unterwasserschiff wird abgetaucht. Nur machen das schon sehr viele, also auch hier schon wieder eine abstumpfung der reize. Doch siehe da, diese vlogs werden bis zu tausend dollar pro sendung durch viele sofasitzer unterstützt. Wenn sie fleißig sind, machen sie vier episoden im monat, also vier grand. Dafür müssen sie aber auch kontinuierlich liefern, bei einem arbeitsaufwand von um die dreißig stunden pro film. Viel arbeit und materialeinsatz für’s geld, aber vielleicht mögen sie das ganze auch. Ich für meinen teil möchte es trotzdem noch immer nicht machen. Es lacht zwar die kohle, gleichzeitig steigt der druck, immer wieder etwas neues zu erfinden. Meine langen reparaturlisten und die umfangreichen routineaufgaben sind für mich als alleinsegler schon genug.

Die drei jungs aus amerika, die ich in Französisch Guyana getroffen habe, habe ich in ihrem vlog wieder gefunden. Mir war nicht bekannt, dass sie einen haben. Sie sind aus der filmbranche und deren bewegte bilder sind super ästhetisch und um klassen besser als der einheitsbrei. Doch auch dort gibt es keine großen anderen abenteuer zu sehen. Nur ein film fehlt von denen, nämlich als sie versucht hatten, von Guyana aus in richtung Brasilien gegen wind wellen und strömung zu segeln. Nach vier tagen waren sie ja wieder am ausgangspunkt vor anker.

Will man geld mit seinem blog verdienen, muss die reichweite erhöht werden. Das geht am einfachsten über die sprache, wenn sie denn im repertoire vorhanden ist. In der kategorie sind zwei deutsche vlogger auf meiner liste, die sich im englischen versuchen. Beide klangen am anfang schlimm mit deutschem akzent, werden aber langsam besser und der wortschatz steigt auch. Und dann treffen sie sich auch noch – zwei deutsche, die vor kamera versuchen, miteinander englisch zu reden. Ein untertitel hätte doch auch genügt, denn bei ihrer konversation geht so viel information über bord, dass es besser wäre, man streicht den unterentwickelten sprachfilter, schade.

Was geht derzeit auf meinem sofa ab, zwischen den texten und filmchen: Einkaufen online bis die karte glüht und das konto brennt. Die ‘nice to have’ liste war überschaubar und auch bezahlbar. Am ende wurden es über zehn pakete, die an meine supportadresse in Hamburg gesendet wurden. Batterien für den laptop, repeller, schläuche, filter, schalter, segelmacherzubehör und so weiter. Die control unit der standheizung ging per post an einen fachbetrieb, weil dieser glaubte, sie reparieren zu können. Leider sind ein paar ic’s kaputt und nicht mehr zu besorgen. Also fünfzig euronen für nichts rausgefeuert. Jedoch hat er mir ein neues steuergerät angeboten, für dreihundert. Die ganze standheizung hat aber nur hundertachtzig gekostet und ich möchte nicht das doppelte in das bodenlose fass hineinwerfen.
Eine komplette neue heizung könnte ich für fünfhundert mit dem transport zu den Falklands bekommen, da bin ich noch am grübeln. Gleichzeitig habe ich noch einmal das netz bemüht und ein neues steuergerät für hundertsiebzig gefunden, schon mal besser. Der hammer war jedoch eine alte neue lagerware der britischen armee, das gleiche gerät für siebzig pfund. Gekauft. Die standheizung brauche ich vorerst nur für Patagonien und danach ist die südsee auf dem fahrplan, dort ist es meistens warm.

Die zweite größere anschaffung sind neue verbraucherbatterien. Meine sind schon mindestens vierzehn jahre alt und sie werden schwächer. Für den ersatz sollten sie das gleiche format haben, natowürfel genannt, das ganze in gel-ausführung. Die preise variieren von unverschämt bis teuer, unter zweihundertachtzig geht gar nichts. Davon brauche ich aber sechs stück und die zusammengesetzte kritische masse wiegt zweihundertvierzig kilogramm, also keine hosentaschenware.
Das nächste problen ist aber, dass die meisten dealer keine geschäfte machen wollen. Nur verkaufen, kein versand ins ausland, geschweige denn zu den Falklands. Nach zwei wochen recherche hätte ich welche in England ersteigern können. Der preis war günstiger als in der brd, weil diese verkäufer etwas mit vat-free anfangen können. Zudem gibt es auch kein unsinniges und falsch verstandenes batteriepfandgesetz. Dieser pfand gilt nicht für verbraucherbatterien außerhalb von kraftfahrzeugen – aber das verklicker mal einen unterbelichteten beratungsresistenten verkäufergehilfen.
Die transportkosten zu den Falklands kommen auf siebzehnhundert pfund per luftfracht, will und kann ich nicht. Am ende kam der erste mit seefracht zum preis einer batterie, leider kommt dann die ware erst am anfang Januar an, einen monat zu spät. Die umschlagzeit auf den Falklands beträgt mit zollbeschau noch einmal zwei wochen. Somit müssen die alten energiespeicher bis Chile halten und dann entscheide ich mich wohl für neue.

Seit über einem jahr war ich nicht richtig krank, abgesehen von der kieferprellung. Nur kaum wieder in europa und ein ekeliger schnupfen mit husten hat sich angemeldet. Segeln ist gesünder. Dazu kommt noch eine verlorene füllung und ein teilabbruch eines zahns. Die deutsche zahnarztqualität hat gerade mal fünfzehn monate gehalten.
Gestern war ich bei einer französischen zahnärztin mit englischkenntnissen. Ich kann zwar hier ein baguette kaufen gehen und auch den friseur nach einem jahr ohne haarschnitt besuchen. Mit zeichensprache geht es recht gut, nur beim zahnarzt komme ich damit nicht weiter. Die franzosen können oder wollen kein ausländisch und ich bin leider sprachlich unterentwickelt.
Es ging aber ganz gut, eine one-woman-show mit röntgenaufnahme, bohren und verfüllen des loches ohne hilfskraft. Das ist hier normal, danach noch die rechnung erstellen, für achtundvierzig euro. Warum läuft in deutschen praxen soviel personal herum, wenn es hier mit gut vorbereiteten handgriffen auch ohne geht. Das ziehen des zahns hätte nur dreiunddreißig gekostet, beim nächsten mal, vielleicht.

Meine reise nach Hamburg ist auch schon geplant, war komplizierter als vermutet. Die abstimmung von bus, bahn und flugzeug ist nicht so einfach, und ich habe damit ein unerwartetes problem gehabt. Klingt schon wie ein ölfilterwechselbericht. Letztendlich bin ich anfang November in meiner heimatstadt und werde aus den vielen paketen mit bestellungen ein großes für die Falklands machen. Es wird mit der laufzeit knapp werden.

Das paket mit der steuereinheit ist in der zwischenzeit auch schon von der britischen insel eingetroffen, hoffentlich funktioniert sie auch. Wenn nicht, bleibt das schiff kalt, die gehandelten zitronen helfen dann auch nicht.

Und dann habe ich doch beschlossen, dass mein einkauf Hamburg vor meiner ankunft in richtung der Falklands verlassen muss. Danke für die hilfe dort. Der spaß hat für die zwölf kilogramm auch nur achtzig euro gekostet. Somit sind die ersatzteile hoffentlich vor mir in Stanley.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, reisevorbereitungen, Reise_2017 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.