Am Mo habe ich in aller ruhe das ablegen und die weitere fahrt vorbereitet, dieser abschnitt kann länger dauern. Die wetterdaten gaben nur schwachen wind her. Das hochwasser war gegen mittag und ich schon auf dem meer. Das setzen des gross bereitete noch schwierigkeiten, steht aber.
Bis zum sonnenuntergang habe ich nur sechundzwanzig seemeilen geschafft, das ist bitter wenig. Und so wie der wind weht, schwach und nicht in meine richtung, komme ich nicht rüber. Vielleicht später, da der wind noch drehen soll. Ich lass mich überraschen.
Der erste versuch war gut, aber nicht gut genug. Diese sechzig seemeilen waren teilweise für die katz. Die gripdaten waren so vielversprechend, aber bei genauer hinsicht traf das auch zu.
Was habe ich erlebt? Mit dem hochwasser aus Den Helder raus, vorher geduscht, rasiert, man weiss ja nicht, was noch kommen kann. Draussen dann das gross gesetzt, bzw. so weit, wie es ging. Mit leichtem wind in die richtige richtung. Einen windpark konnte ich nicht westlich umfahren, also östlich. Vielleicht war das auch gut so.
Zum sonnenuntergang war ich nur zwanzig meilen weiter. Die geschwindigkeit um drei knoten minus der tide, also fast eins. Das radar ist mein freund und helfer, mir soll es an nichts mangeln – ausser wind. Bei einer reede mit vielen schiffen und dem hauptweg zum hafen von IJmuiden habe ich dann doch Sir Perkins bemüht. Diese stunde war anstrengend und danach habe ich den beobachtungssektor eingestellt und die alarmfunktion zuerst auf zehn minuten eingestellt. Damit noch mehr ruhe in diese situation kommt, wurde der beobachtungsradius auf drei semeilen vergrössert und die zeit auf zwanzig minuten. Ich fuhr ja nur höchstens zwei knoten.
Meinen paprikawecker habe ich auf eine stunde eingestellt und die augen geschlossen. Kein alarm, keine schiffe und morgens um vier die richtung auf GB geändert. Das hätte ich mir schenken können wegen der gegenläufigen strömung. Nach dem sonnenaufgang war der neue plan, richtung Scheveningen zu fahren und im hafen auf wind zu warten.
Bin den weg von morgens um vier plus noch einmal zehn seemeilen in die stadt motort. Nach vierundzwanzig stunden also war bin ich kaum weiter, dafür habe ich ein supersuper anlegemanöver mit ruhe und langsamkeit hingelegt. Ich war noch nicht mit allen leinen fertig und der motor lief natürlich noch, da war der zoll auch schon wartend da.
Es gibt solche und andere und diese waren nett. In fünf minuten können sie was wollen, bitte warten. Zwei mann an bord, also alle, hier und da geguckt oder eher gefragt.
Klappe auf, bodenbrett hoch, passport, ist ja interessant, allein, so lange der ausbau und noch nicht fertig, danke für die kooperation und gute reise.
Ich bin gespannt auf die nächste kontrolle.
Der noch am morgen angedachte mittagsschlaf fiel aus, ich wollte eine reise in meine vergangenheit unternehmen. Scheveningen ist ein altes seebad und ein vorort von Den Haag. Ich war hier mit meiner mutter zum kurzurlaub vor siebenunddreißig jahren. Das hotel, in dem wir wohnten, ist einem der neubauten gewichen, appartements verkaufen sich besser. Der strandweg mit kehre existiert auch nicht mehr, nur die seebrücke, aber in modernerer version. Von der verschlafenheit des kleinen ortes ist bis in die vierte baureihe nichts mehr übrig. Weg ist der holländische charm gekreutzt mit londoner vorortbaustil. Man findet ihn noch, aber nicht mehr im zentrum.
Meine gedankliche vorstellung, ich könnte den fischverkaufsstand in der strassenbahnkehre wiederfinden, erwies sich als illusion. Dort sind wir mit der strassenbahn hingefahren, zur kehre am hafen und haben das leckerste matjesbrötchen meines bisherigen lebens gegessen. Mild, viele kleinstgehackte zwiebeln, die ihre schärfe verloren hatten mit einem brötchen passend zum zarten fisch, kein hartes weizenrundstück.
Damals war es das ende der kleinstadt und dahinter lag der fischerhafen. Dieser existiert so auch nicht mehr, in einem teil davon liege ich im jachthafen. Die randbebauung schliesst auf einen totalabriss hin. Schade um das alte.
Ich muss dringend was neues entdecken, als bewahrer der vergangenheit werde ich hier nur melancholisch.
Dafür muss ich sagen, dass die jungs&mädels hier anders fahrrad fahren, als in der vasallenzone. Es gibt radwege, schnellwege, umleitungen für radfahrer, die ausgeschildert sind, und rücksichtsvolle autofahrer, denn die sind im zweitleben auch radfahrer. Da sollte sich bei uns was ändern, aber wie, wenn die politiker von der autolobby abgeschmiert werden?
Der wind lässt auf sich warten.
Und eine gute meldung zwischendurch, die firma Ista Breeze, mein windgeneratorhersteller, den ich in den letzen berichten der schlechtleistung bezichtigt habe, zeigte nun doch sein entgegenkommen und hat mir die kosten für den geschrotteten regler erstattet. Dafür war einiger mailverkehr erforderlich.
Der verkäufer der relingsschellen schaltet auf stur, materialkombination in verwendung mit rollen ist schuld, also der käufer. Letzte chance, meister.
Dafür jetzt die schlechte meldung: ein missverständnis, das mich ruhig schlafen lies. Die nacht in Scheveningen kostet nicht dreizehn, sondern dreißig euronen und ist damit top eins der teuerliste. Entweder ist es die aussprache des holländers oder die naivität des seglers, der doch nur normale preise versteht. Nun denn, deshalb segle ich am Do weiter, auch wenn wenig wind sein wird.
Es hätte mich schon stutzig machen sollen, dass leute in der hafenbar zum mittag eine flasche schampus und einen hummer als appetizers dort stehen haben. Er älter, sie jünger, geliftet und aufgespritzt. Im appel und ei hafen ist das wohl eher seltenst.
Also war der heutige reparaturtag intensiv. Nur das wichtige, was auf der to do liste stand. Die feinheiten müssen warten, wie der watermaker oder der ladebaum fürs schlauchboot. Also GB versuch nummer zwei ab morgen mittag.
Mein neuer plan ist, mich jetzt an der küste herunter zu arbeiten, heute abend wird geankert, morgen im hafen. Am So soll dann der wind kommen. Hoffentlich.