Ich habe sie auch, oder doch nicht

In Mazagon wollte ich zwei nächte bleiben, der technische zustand änderte aber alles. Der erste tag war mit dem verlegen des neuen dieselschlauches verplant, da würden locker wieder vier stunden draufgehen. Aber vorher habe ich noch einmal die tagestankpumpe angeworfen, vielleicht hatte sich ja etwas geändert, es soll ja solche situationen geben. Und siehe da, diesel kam und dann ein fünfzehn zentimeter langes stück braun. Dieses passierte den ersten klarsichtschlauch, und als es beim zweiten war, konnte ich die pumpe ausschalten. Die verbindung zum tagestank habe ich gelöst und den schlauch in den filtertrichter gehalten. Die zahnräder der pumpe haben bei ihrer neuen belebung das braune teil geschreddert.

20150702 dieselfilter

 

Ich muss nun keinen neuen schlauch einbauen, aber habe die pest an bord. Die panische handlung der forengemeinschaft ist die totale tankreinigung. Ich werde erstmal nichts machen. Ich habe zwanzig milliliter vom bekannten additiv in den schlauch gespritzt und in den tank gepustet. Einen liter hatte ich davon gekauft und noch kaum etwas davon benutzt. Mal sehen, wie tödlich es ist.
Ich liege jetzt am zweiten tag vor der marina am anker und im tank wird das zeug durch die wellen vermischt.
Der nächste test ist meine zweiwege filteranlage, ob die denn auch funktioniert. Der diesel aus dem tagestank muss da durch, und wenn der erste filter dicht ist, wird auf den zweiten umgeschaltet. Das muss ich nur rechtzeitig merken, wenn die leistung des motors langsam nachlässt.

Der ankerplatz vor der marina von Mazagon hat es in sich oder ich bin zu hastig. Anker geworfen, rückwärts und fest. Dann zur sicherheit mehr gas und der anker ist wieder frei. Der schlick hält nicht überall, beim dritten mal habe ich kein vollgas gegeben und es hielt bis zum nächsten morgen.
Der nächste tag fing ohne wind an und das hielt sich auch bis zum späten mittag. Mit dem anker habe ich auch einen angelköder mit hoch geholt, kann ich gebrauchen. Zuerst bin ich motort und dann dachte ich mal an diesel in den tagestank zu füllen. Es kamen nur fünf liter und dann war schluss, vakuum im schlauch. Wäre ja auch zu einfach gewesen, ein stück verstopft und dann alles wieder im grünen bereich. Der wunsch war hier mal wieder der vater des gedankens.

Dafür bin ich das erste mal vom schiff aus baden gegangen. Nicht weil mich das vierundzwanzig grad kalte wasser gelockt hat, aber ich wollte die logge wieder freilegen. Seit der drecksbrühe in Lissabon ist sie blockiert. Die operation war erfolgreich, da aber wellen das boot anhoben, habe ich weitere inspektionen unterbrochen. Aber ich habe noch ein stück rote leine in der schraube gefunden, der rest von meiner ankerboje.

Am nachmittag ging es dann doch unter segel richtung Chipiona. Ich konnte nicht am langen steg liegen bleiben und musste in eine box, meine bedingung, dass sie leer ist. Ging ganz gut ohne farbverlust, aber wenden in einer marina mit wind stresst mich doch sehr. Somit war es ein sehr guter tag, den clip vom baumcover habe ich auch wiedergefunden, das cover als lazzybag funktioniert sehr gut. Das war der erste tag ohne kaskoversicherung, geht auch.

Sechs stunden hat die tankrevision gedauert. Den rückbau, bis ich unten am tank war, kannte ich schon, und deshalb ging es diesmal sehr zügig. Dann den revisionseinfülldeckel entfernt und am saugrohr war ein hühnerei großer, brauner kokon. Den konnte ich abziehen und fand das muster sehr interessant. So sieht doch keine dieselpest aus. Den kokon konnte ich entfalten und es kam ein küchenpapiermuster zum vorschein.
Da hatte ich wohl chirurgenqualität vor fünf jahren an den tag gelegt. Bei der revision ein papiertuch vergessen.

Vorsichtshalber habe ich die ersten dreißig liter durch meinen gelben filtertrichter laufen lasssen, bis die letzten zellstoffklumpen gefilter wurden. Dann wollte ich noch den ganzen vorderen tank in den hinteren pumpen, alles durch den filter. Mit meiner fasspumpe ging das sehr gut, doch nach zig litern habe ich schweisstropfend aufgehört. Kein bisschen dreck im filter.
Danach alles wieder zusammengeschraubt und feierabend. Die erste aktion danach war duschen.

Erfrischt ging es mit dem rad in den ort, ein badeort mit vielen appartments und kleineren häusern. Diese erscheinung hat mich an italienische küstenorte erinnert. Viele tausend menschen machen hier urlaub und kein richtiger großer supermarkt im ort, nur kleinkrämer und restaurants. Nach einer stunde mit einkaufen war ich wieder am schiff und hätte gleich noch einmal duschen können.

Eigentlich war das nächste ziel Cadiz, das wird erstmal vertagt. Im Reeds steht, dass man nach Sevilla fahren kann, ohne probleme. So bin ich am So aufgebrochen um halb zwölf, damit ich das auflaufende wasser mitnehme. Im buch steht, dass man es in einem stück schafft, ich frage mich, ob dafür der hebel auf dem tisch gelegt werden muss. Ich bin leider zu früh los und so ging es erst noch gegen den strom den fluss hinauf.

Der Rio Guadalquivir erinnert mich am anfangs sehr an die Elbe, wasser braun und links und rechts flaches land, aber ohne deiche.

20150705 flusslandschaft

 

20150705 flusslandschaft

 

20150705 flusslandschaft

 

Ein paar markierungstonnen liegen jetzt versetzt und das wasser ist um sechs meter tief. Und da bei langweiliger motorfahrt die konzentration nachlässt, ging es auch recht schnell. Piep, ein meter, ein halber, null und aufgelaufen. Rückwärts ging ein stück, wieder zur flussmitte und festgefahren. Zum glück war es auflaufendes wasser, also keine panik. Hinter mir kam noch ein ausflugsdampfer, der schaukelte mich so, dass ich ein wenig gedreht wurde. Dahinter kam ein tanker von hundert meter länge. Der entzog mir erst das wasser und seine wellen waren auch nicht sehr hilfreich, ein paar meter in die richtige richtung.
Also die genua aufgezogen, Mr Perkins auf volllast und nach fünf metern war es schon wieder ganz tief. Abkürzungen in flüssen sollte man nicht machen.

Das naturschutzgebiet auf der linken seite wechselte seine erscheinung, von flach zu baumbewuchs mit sehr vielen störchen. Halt wie an der Elbe, nur sehr viele mehr. Und wenn die bäume nicht mehr ausreichen, wird auch ein schifffahrtssignal zum nestbau verwendet. Ab und zu kommt mir das ganze wie die Camargue vor, mit flusspferden.

20150705 storchnester

 

20150705 storchnester

 

20150706 flusspferde

 

Im Reeds steht auch, dass es keine haltemöglichkeit oder ankerplätze gibt. Der ganze fluss ist ein ankerplatz. Nachdem ich das riesige flusskreuzfahrtschiff wieder eingeholt hatte, weil es dort gerade abendessen gab, bin ich einen kilometer weiter rechts abgebogen und habe gleich dort geankert. Das schiff ist mir das erste mal vor einer woche im grenzfluss begegnet.
Der ankerplatz ist traumhaft schön, gleich neben der grünen tonne und mein schiff wurde zum ladeplatz von mindestens fünfzig libellen. Ein ständiges kommen und gehen von roten und gelben.

20150705 ankerplatz  im fluss

 

20150705 libellen

 

20150705 libellen

 

Nach meinem abendessen wurde es dann recht ungemütlich. Bei soviel natur fängt die nahrungskette nicht mit den fröschen an, sondern viel kleiner und geräuschvoller. An deck ging es nicht mehr und in der achterkabine war es vom stundenlangen motoren zu heiß, aber der einzige ort des aufenthalts. Luken dicht, tür zu und mit der stablampe die surrenden eindringlinge aufgespührt. Mit dem t-shirt dann zur strecke gebracht. Erschöpft bin ich eingeschlafen, aber leider hat sich in der nacht die kabinentür wieder geöffnet. Mit folgen.
Mich stechen diese moskitos eigentlich nicht, sie waren wohl in einer notsituation. Die einstichstellen sind im dreistelligen bereich, über zweihundert, so schlimm habe ich das noch nicht erlebt. Davon bin ich dann aufgewacht.
Dann folgte die okkulte kabinenbemalung in wischtechnik mit rot. Ein richtiges massaker, das so anstrengend war, dass ich bis um halbzehn geschlafen habe.
Für das auflaufende wasser schon recht spät. Die bilder stelle ich wegen der grausamen szenen nicht ein.

Kaffee kochen, anker auf und richtung Sevilla abgeschippert. Meine nächtlichen besucher kamen von den reisfeldern links und rechts vom fluss. Das gelbe sprühflugzeug hatte wohl beim letzten mal nicht so gute arbeit geleistet, dafür heute morgen. Um halbeins bin ich am schlepper, der vor der neuen schleuse liegt, längsseits gegangen. Der kapitän war dann noch so freundlich, mit der marina und mit der schleuse zu telefonieren, denn ohne mail an die marina geht die schleuse auch nicht.

20150706 neue schleuse sevilla

 

20150706 schlepperwarteplatz

 

Aber auch die schleuse macht erst um neun uhr abends auf, die spätere brücke öffnet sich um zehn und dann bin ich hoffentlich auch schon im Club Nautico de Sivilla. Angedacht sind zwei bis drei tage aufenthalt.

Um acht uhr kam dann das containerschiff, und während es backbords in der schleuse festgemacht wurde, sollte ich es rechts überholen und mich vorn in der schleuse festmachen. Nur diese verwirbelungen der schiffe sind enorm, meine fender mussten sich viel gefallen lassen. Als das tor aufging, bin ich raus und habe den riesen vorbei gelassen.

20150706 schleusenpartner sevilla

 

Dann im abstand immer hinterher. Auch im hafen von Sevilla sind die störche auf lampenmasten und alten kränen.

20150706 altes hafenbecken sevilla

 

20150706 bruecke sevilla

 

Vor der letzten brücke, die nur alle paar tage aufmacht und gestern nur für mich, lag das tankschiff. Zuerst dachte ich an einen scherz, es heisst Wine Trader. Aber lauter tanklastzüge kamen zum schiff und pumpten, was das zeug hält. Die hanglage oder das terroir vermischen sich im schiff zum allzweckwein.

20150706 stoerche in sevilla

 

Der schlepperkapitän hat mir sehr geholfen, im Club Nautico wartete schon das personal, um mich in empfang zu nehmen. Diesmal vorwärts an die kaimauer und hinten eine mooringleine. Ich bin jetzt im zentrum von Sevilla angekommen.

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