Fast Afrika, doch besser weiter

Der erste schreck am morgen waren zwei kleine würmer in der mehl- und müslischublade. Die quelle wollte sich aber nicht offenbaren. Am späten mittag waren wir mit dem einkaufen fertig, wassertank wieder befüllt und bei flaute raus aus dem hafen. Die wetterdaten versprachen etwas anderes, nämlich guten rückenwind bis Ceuta. Aber vielleicht ist der erste törn als motorsegler auch nicht schlecht. Viele delfine um das schiff herum, kenn ich inzwischen auch. In der mitte der strasse von Gibraltar hat das schiff eine ziemliche hundekurve hingelegt, angekommen sind wir aber doch.
Eine kleine hafenrunde gedreht und der marinero hat uns in einen freien slot gewunken. Danach lief es nicht so perfekt, nach dem lackieren ist halt vor dem lackieren, die betonmauer wollte partout nicht nachgeben. Aber wir sind wenigstens in Afrika angekommen, wenn auch im europäischen teil.

20150819 Ceuta hafen

 

20150819 Ceuta hafen

 

20150819 Ceuta stadt

 

20150819 Ceuta stadt

 

20150819 Ceuta stadt

 

Das mit den gezeitenströmen muss ich noch lernen, ich habe die uhr anders herum interpretiert. Geplant sind wir um zehn aus Ceuta abgefahren und hatten ein wenig strom mit uns. Der wind kam auch, alles im grünen bereich. Die windrichtung war genau von hinten, also nur das großsegel, nach kurzer zeit auch mit einem reff. Nur dann fing der strom an, gegen uns zu arbeiten und nicht mit uns. Durchs wasser mit fünf knoten, real mit zwei. Somit wurde die fahrt nach Tanger ein wenig länger.
Unterwegs meinte die marokkanische küstenwache, dass wir doch bitte drei statt zwei seemeilen abstand halten sollen. Bullshit, denn sonst wären wir im verkehrstrennungsgebiet, over. Danach ging es dann wieder flotter, mit bis zu sieben knoten. Der wind war sehr frisch bis über dreißig knoten.

In der marina in La Linea gab es noch einen aktuellen führer ‘Straße von Gibraltar und die häfen’ für umsonst. Tanger war nett erklärt, doch im hafen ist derzeit der große umbau in gange. Die fischer liegen im viererpack, gäste sind nicht willkommen, es sei denn, sie sind hundert Meter lang. Im hafen gab es keinen platz, keiner kam, um uns zu vertreiben. Eine betonwand zum meer wäre die letzte alternative gewesen, wenn wir nicht den neuen hafen gefunden hätten. Ein halboffizieller signalisierte, dass der gesperrt sei. Dann halt den anker vor dieser hafeneinfahrt fallen gelassen, hinter einer mole geschützt vor dem meer.

20150820 Tanger ankerplatz hafeneinfahrt

 

20150820 Tanger ankerplatz hafeneinfahrt

 

20150820 Tanger ankerplatz hafeneinfahrt

 

20150820 Tanger ankerplatz hafeneinfahrt

 

Schadensbegutachtung: ein rutscher von einer segellatte hatte sich gehimmelt, bei einem zweiten ging die verbindung der schraube auf. Dann hat sich noch eine reffleine in eine seldenumlenkrolle eingearbeitet und diese gesprengt. Zu zweit ein anstrengender job, allein wäre es eine echte herausforderung. Auf der fahrt ging noch ein sitzkissen über bord, hat Eric nicht festgebunden. Seine badehose hat er dann noch retten können. Auch sonst sehr viel bruch auf der strecke.

20150820 Tanger gerettete badehose

 

seldenrolle mastrutscher

 

Der neue plan sieht die fahrt an der marokkanischen küste runter vor, bis zum nächsten hafen. Sollte der auch mist sein, biegen wir rechts ab und rüber nach Madeira. Abends um acht kam noch kein offizieller vorbei, wir haben nicht einklariert, mal sehen.

Die nacht war dann sehr ruhig, keine offiziellen und keine besucher. Im morgentlichen nebel mit kaffee sind wir dann in richtung meer motort, der leichte wind kam von vorn.
Nach kurzer entscheidung war es das mit dem besuch von Marokko, die ungewissheit, ob der nächste hafen noch existiert und die veralteten winddaten haben uns veranlasst, direkt nach Madeira zu segeln. Die magische gradzahl ist zweihundertfünfzigundeins und die entfernung sind fünfhundertfünfzig seemeilen.

Gegen mittag kam guter wind, der kurs stimmte fast und die see war flach. Das experiment windsteueranlage lief sehr schwer an und zum schluss funktionierte sie, zumindest auf dem kurs hoch am wind, aber das kann das schiff auch selber. Zum sonnenuntergang haben wir ein reff ins groß gebunden und alles war gut.
Nur in der nacht hörte der wind auf, drehte und wir haben uns treiben lassen ohne tuch. Der nächste bruch war auch schon da: die obere segellattentasche ist an der naht zum rutscher auf und ich habe dann erstmal die latte entfernt. Spanische wertarbeit, ich wollte doch extra strong.

segellattetasche

 

Das ergebnis des ersten tages waren zweiundsiebzig seemeilen mit vertreiben und in die falsche richtung nach nordwest. Der nächste tag Sa brachte den wind genau von vorn und so segeln wir weiter nach nordwest, um den nördlichen wind weiter draußen auf dem meer zu bekommen.

Muss das so sein? Am tage kaum wind bis flaute und zum abend hin zieht der wind an. Pasta mamma giulia bei dreißig knoten wind zuzubereiten ist schon arg schwer, auch dumm, wenn kein parmesankäse mehr im kühlschrank ist, für den geschmack unerlässlich. Außerdem ist dieses gericht nicht für extreme schräglagen durch wellen geeignet. Vor dem essen haben wir das zweite reff in beide segel gebunden und es ging mit flotten fünf knoten voran.
Nur wollten die nudeln nicht so recht schmecken, der magendruck verhinderte den weiteren essensbetrieb. Seebeine haben wir, aber das essen fällt in dieser form schwer.
Als nächstes haben wir die regenbekleidung angezogen und die lifebelts eingepickt. Zum glück läuft das schiff mit eingestelltem ruder wunderbar am wind, ohne windfahne. Es kam gischt in der nacht rüber, aber kein wasser aufs deck. Fünfunddreißig bis fünfundzwanzig knoten wind, die notlaterne vom rettungsring am heck ging ab und zu an, wenn das heck schnell angehoben wurde. So ging das bis um sechs uhr, Eric hat in der plicht auf dem boden geschlafen und ich auf der bank, leider erfolglos.
Er fuhr weiter, ich musste schlafen.
Bei mir macht sich leichter frust breit, erst hundertzwanzig seemeilen dem ziel näher gekommen, die windfahne ist extrem schwer einzustellen und am tag gibt es kaum wind. Ich habe jetzt beschlossen, wenn die windstärke in knoten nicht zweistellig ist, können die segel geschont werden. Das hin und her schlagen nervt mich doch sehr.

Nach der dritten nacht morgens um sechs kam die stille, flaute total. Ein wenig motoren für die richtige richtung, für den kaffee und die batterien. Nach dem kaffee war treiben angesagt, bis zum nachmittag ging es teilweise rückwärts. Eine abwechslung waren die delfine neben dem schiff.
Aber ab drei uhr nachmittags fing es dann an, freundlicher zu werden. Die lang gezogenen alantikwellen kamen und langsam der richtige wind mit guter richtung bis in die nacht hinein. Die windfahne braucht eine verbesserung, da sie häufig wegen überlastung auskuppelt, das nervt mich sehr.

20150825 Atlantikwellen

 

Mit der windfahne habe ich mich nach ein paar tropfen öl hier und da besser verstanden. Wir konnten halbwindkurs segeln. Zur nacht hin wieder einmal gerefft und es ging flott in die richtige richtung. Alles lief gut, bis ich um fünf uhr wieder die wache übernahm. Der autopilot lief, wie verabredet, wenn die windsteuerung durch auskuppeln ausfällt. Diese habe ich dann wieder eingekuppelt und es ging ohne strom weiter. Nur kurze zeit später wieder einkuppeln, aber da lag etwas schief. Das pendelruder ist gebrochen, billiges material für viel bedrucktes papier. Also wieder den autopiloten an.

pendelruder

 

pendelruder

 

Wie lange halten die batterien? Der kühlschrank hat sich schon bei unter vierundzwanzig volt abgemeldet. Somit habe ich versucht, den dieselgenerator zum laufen zu bringen. Nach anfänglichen schwierigkeiten mit der auspuffkühlung konnte ich ihn per hand anwerfen. Leider nicht sehr lange, denn aus der achterkabine kam feuchter qualm, der auspuffschlauch muss undicht sein, leider tief unterm bett. Somit kein strom und bei der lüftungsaktion ist mein linker daumen zwischen lukenscharnier und den rahmen gekommen. Der schmerz hält sich noch in grenzen, aber der halbe daumennagel ist blau unterwandert.
Der nächste bruch passierte am nachmittag, der schäkel am reff eins hat sich gelöst und ist mit samt dem ring im Atlantik tauchen gegangen.

Das positive zur zeit am Di ist, dass wir mit über fünf knoten auf dem richtigen kurs auf Porto Santos zusteuern und dass wir über die hälfte der strecke schon hinter uns haben. Die stimmung ist noch immer gut, wenigstens dies klappt.

Bruchnachtrag: da das erste reff nicht funktioniert, das zweite für die nacht gesetzt. Dabei hat die leine die nächste rolle gekappt. Zum ausgleich hat die rolle einen meter der leine angefressen. Das bin ich jetzt auch.
Die nacht war ruhig, der autopilot steuert und das ziel kommt immer näher. Am morgen ziehe ich alle segel wieder voll auf und starte den motor zum batterienladen. Zum einen weil der autopilot ohne strom streikt, was er im moment noch nicht tut, und zum anderen ist es einfacher mit dem wasserkochen, damit der kaffee ziehen kann. Kurz darauf freundliches wetter, wind querab und fünf knoten durchs wasser, warum nicht immer so. Das war schon die fünfte nacht.

Die sechste nacht war ruhig, das schiff zieht dahin. Der verlust der wochentage ist hinnehmbar, das wetter sonnig, an einem Do. Endlich mal zeit zum lesen. Die entfernung zum nächsten ziel beträgt nur noch sechzig seemeilen – zu kurz für morgen am tag, zu weit für heute, vielleicht passiert ja noch etwas.

20150827 Madeira

 

Natürlich, wenn man wind braucht, ist er nicht da. Zum sonnenuntergang konnten wir schon die insel Madeira sehen. Wir sind jedoch erst um drei uhr in den hafen von Porto Santos eingelaufen. Ging alles ganz gut und jetzt ist mindestens ein reparaturtag auf dem programm.

Für die motugemeinde: dass die schiffe kein rennplastik sind, ist uns bekannt. Aber wenn das schiff nicht dreizehn, sondern achtzehn tonnen in reisefertig wiegt, kommt man kaum über sechs knoten unter vollzeug hinaus. Meistens sind fünf knoten auf der anzeige. Die rumpfgeschwindigkeit habe ich noch nicht erreicht.

Jetzt noch sechs tage um und bei Madeira segeln. Schön.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Reise_2015, schiff veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.