Der abschied aus Saint Laurent war recht einfach, ein bbq gab es nicht mehr und so habe ich am Mo morgen den anker geliftet. Schön brav an den fahrwegstonnen entlang, keine abkürzungen, das rächt sich. Das wetter war sogar freundlich trocken und der erste neue ankerplatz war nach fünf seemeilen gefunden. Auf der hinfahrt hatte ich mir einige plätze notiert. In der ferne sah ich noch SLM. Dann fing der regen an, zeit mal aufzuräumen.
Am nächsten morgen ging es wieder weiter, zum ersten ankerplatz am anfang des flusses. Es musste das schiff wieder seefest gemacht werden, schlauchboot verzurren, außenbordmotor ab und der rest an deck sollte fest sein. Regen und sonnenschein, aber die nacht war recht unruhig, kamen doch viele ungebetene gäste zum blutsaugen.
Früh am morgen war hochwasser und dann ging es nach einem wolkenbruch mit regenbogen los. Großsegel hoch, anker raus und festgeschraubt und ab in richtung meer. Sonnenschein mit wind und es wird ein guter tag. Leider ging es in die falsche richtung nach westen. Aber erstmal raus aus der mündung, dann eine wende und wieder zurück. Segeltechnisch war es kein erfolg, am nächsten morgen war ich nur zehn meilen vor der ansteuerungstonne entfernt. Dabei war ich bis dahin achtzig seemeilen gesegelt. In die eine richtung ging es nicht, in die andere auch kaum, dazu der strom und die wellen gegen mich.
Das radar lief die ganze nacht, strom war ausreichend vorhanden. Dann ist natürlich wieder mein großsegel kaputt gegangen, der segelkopf hat sich vom rutscher getrennt. Meine näharbeit hat nur von den Kapverden bis hier gehalten. Also alles runter und nur mit der genua weiter. Bei bis zu dreißig knoten wind erreiche ich drei knoten über grund, der rest wird vom strom geschluckt. Also alles ein wenig langsamer als gedacht.
Der zweite tag war etwas besser, zwar ging es wieder entweder mit dem wind hinaus oder zum ufer. Aber wenn der motor ein stück mitlaufen kann, dann geht es in die richtige richtung. So ging es siebzig meilen weit, bis ich für mein gefühl zu nahe am ufer war. Die wassertiefe betrug nur noch zwei meter unter dem kiel, im kartenbereich fünf bis zehn meter. Dazu gibt es hier wracks und eine begegnung mit fischern. Die hatten wohl ein netz zwischen zwei schiffen oder rund herum gelegt. Zuerst haben sie mich mit riesigen scheinwerfern angeleuchtet, dann habe ich den funk angemacht, leider nur französisch. Ich bin im abstand vorbei, aber das fanden sie nicht lustig. Ich bin vielleicht darüber gefahren.
Das ganze schleicht sich so dahin und mal die augen zu für eine längere phase ist auch schön. Hier ist das wasser fünf meter tief, kaum wellen und so habe ich die nacht vor anker auf dem meer sechs meilen vor der küste verbracht. Kräfte tanken und dann auf zu den Iles de Salut, die liegen auf dem weg.
Um neun uhr habe ich den anker gehoben, sechs stunden geschlafen und recht frisch bei der sache. Zuerst war es gut mit dem wind oder es war nur hier keine welle. Mit drei knoten ging es zum tieferen wasser. Die konsequenzen sind mehr welle, weniger geschwindigkeit. Ist diese zu gering, kommt die strömung mit in die rechnung. Der autopilot will gegenan steuern, das ruder stellt sich quer und bremst. Der wind dreht das boot, das ruder ist am anschlag, kapitulation des autopiloten, denn er weiß nicht weiter. Der kurs ist jetzt mit dem wind und der strömung dahin, wo ich nicht stranden will.
Die lösung des tages hieß Mr Perkins, weil dann auch der wind nachgelassen hatte. Durch die schraube gibt es eine bessere anströmung des ruders und mit tausend umdrehungen und dem segel geht es in eine gute richtung. Dabei durchquere ich mehrere brandungszonen, in denen sich die atlantikwellen reduzieren. Dann tauchen wieder ein kilometer breite streifen mit anderer wasserfarbe auf. Von jetzt auf gleich ändert sich die farbe von okerbraun nach graugrün. Auf steuerbord ist es grün, backbords braun.
Und in so einer wellenzone musste der motor ausgehen. Ich hatte vorsichtshalber zuvor noch einmal den tagestank aufgefüllt und auch den filter kontrolliert, alles war gut. Das gute zureden zu Perkins, er möge bitte durchhalten und die drehzahlschwankungen einstellen, halfen nicht.
Also werkzeug raus und mit leichter bekleidung den filter gereinigt. Da war kaum etwas drin, es floss aber auch nichts hinein. Im schlauch vor dem eingangsstutzen hatten sich die berühmten reste gesammelt. Es war so warm im schiff, dass ich auf den bodenbrettern im eigenen saft hin und her geschwenkt wurde. Danach noch die filter entlüftet und der motor schnurrte wie immer.
Um dreiundzwanzig uhr fiel der anker vor der Ile de Royale, den platz kenne ich schon. Trotzdem leichte anspannung, denn es war das erste mal im dunkeln, dass ich genau ankern musste. Dazu kam noch, dass ein anderes segelboot dort lag, ohne ankerlicht, kaum zu erkennen. Das tagesende war nach sechundvierzig meilen erreicht und ich bin geschafft.
Als zusammenfassung dieser drei tage bin ich froh, das große stück schon geschafft zu haben. Für die theoretischen hundert seemeilen habe ich hundertsiebzig benötigt, davon unnötige sechzig am ersten tag. Der motor hat sich fünfunddreißig liter genehmigt und lief dabei achtzehn stunden, das gefällt mir. Nur bin ich am Mi morgen um halbneun losgefahren und am Fr abend um elf angekommen, sieben stunden davon vor anker. Also fünfundfünfzig stunden segeln und motoren für die optimalen hundert meilen, das ist mir zuviel.
Ich war nicht richtig verzweifelt, wütend ja und auch nicht panisch, als der motor ausfiel. Und dabei war es richtig gutes wetter, warm mit sonne und selten ein bisschen regen. Also eigentlich gute bedingungen.
Das letzte stück von vierzig meilen werde ich mit diesen erfahrungen gleich besser angehen.
Es ist ein vorgeschmack auf die strecke richtung Brasilien und weitere gebiete in der welt, wo es einen gegenstrom gibt. Die wellen können gegenan nur im richtigen winkel genommen werden und der wind muss ausreichend wehen. Hier mussten mindestens fünfzehn knoten wind wehen, damit ich zwei knoten über grund fahren konnte, und der bewuchs spielte die kleinste rolle.
Auf den bildern ist der track vom ersten tag in mangenta und der zweite tag ist rot. Die blau gestrichelte linie ist die hinfahrt mit hundertundfünf seemeilen. Das zweite bild ist das letzte stück von tag zwei und drei, dieser track ist wieder mangenta.
Die frage, mit der ich mich und der segler mit mir sich die letzten drei tage befasst haben, ist, will ich das wirklich noch. Mal sehen.
Die erholung ist gut voran geschritten und ich wollte heute am Mo weiter fahren. Doch da kam etwas sehr schmerzliches dazwischen. Angefangen hat es vorgestern am abend als ich mal nach den abwassertanks schauen wollte. Ich machte die tür auf und da huschte etwas heraus, blieb dann aber still in einer ecke stehen. Ich griff zum shirt, das dort zum trocknen hing und es bewegte sich schräg von fußboden aus am waschtisch hoch und versuchte, sich in einem fach zu verstecken. Mit einem shirt habe ich ein paar mal drauf gehauen und da lag der krabbler auf dem rücken. Sechs zentimeter lang, dunkelbraun und er ging auch gleich über bord.
Ziemlich dumm von mir, so weiss ich nicht, was es war. Der erste gedanke, eine kakerlake, hoffentlich männlichen geschlechts. Dann die überlegung, können die teile fliegen, sollte nicht so sein, aber wie ist es an bord gekommen. Die letzte landverbindung war vor fünf wochen und große gebinde an lebensmitteln kaufe ich nicht. Also wie, und es ist bestimmt kein einzelgänger.
Gestern habe ich mir einen kartoffel-kraut-auflauf gemacht. Jetzt kommt der zweite teil der geschichte, denn als ich die kartoffeln heraus geholt habe, war eine sehr matschig und eine nur matschig und die anderen drei noch gut. Von der ersten fehlte ein großes stück, ein wenig mehr als das insekt vom vorabend. Die kartoffeln haben die größe für den seewolf zum zerquetschen. Und dabei sind sie von mir handverlesen worden aus dem super-u vom letzten Fr. Vielleicht war es ein kartoffelkäfer, denn eine kakerlake mit einem shirt zur strecke zu bringen, halte ich nicht für wahrscheinlich.
Als der auflauf fertig war habe ich mir eine portion abgenommen und bin damit die treppe hinauf. Ich kann sehr gut mit dem schwell vor dieser insel umgehen, doch da kam etwas größeres an und hat mich auf dreiviertel höhe umgerissen. Der auflauf flog von ganz oben herab und ich nach hinten, habe mit dem rücken etwas touchiert und landete auf dem boden, wie ein käfer in rückenlage. Nach dem schreck habe ich den größten dreck beseitigt und der schmerz fing an.
Ich habe jetzt rücken und nicht nur ein bisschen. Mit zwei tabletten habe ich mich schlafen gelegt, in der nacht noch eine und am morgen dasselbe. Nur keine schonhaltung einnehmen.
Heute morgen als erste handlung musste ich wegen rücken den fußboden und die treppe auf allen vieren reinigen. So kann ich nicht segeln und verschiebe erstmal die abfahrt auf morgen. Na, das wird ein schlechter start in den märz hinein.
Ich habe mir noch einen tag erholung verschrieben, wenig tun und den rücken beobachten. Es fällt einem sonst kaum auf, wie oft man die treppe im schiff hoch- und runtergeht, oder wie oft man sich bückt. Jetzt geht alles im schneckentempo, wird es zu schmerzhaft, gibt es eine portion droge.
Auch die nächste nacht war nicht besonders gut und trotzdem ging der anker um acht uhr hoch. Das ziel waren die inseln La Mère und Le Père, letztere war kürzer zu erreichen. Obwohl das großsegel wieder einsatzbereit ist, habe ich nur die genua ausgerollt, das war schon anstrengend genug. Der motor lief den ganzen tag und so ging es zum anfang mit einem und dann mit zwei knoten zu den inseln. Der wind war sehr schwach, aber der kurs war gut zu halten und selten fuhr ich auch mal zweieinhalb knoten.
Sitzen war schwer, stehen auch, liegen ging nicht und alle drei stunden eine tablette, die sind schon abgelaufen und wirken noch immer. Erst als es dunkel wurde, kam ein wenig mehr wind, doch da war ich schon am ziel. Zum schluss bin ich blind nach meinem alten track gefahren, denn es war stockfinster, als um halbneun abends der anker fiel. Elf stunden für dreiunddreißig seemeilen, so langsam war ich noch nie bei sonnigem wetter.
Der nächste ortswechsel erfolgte am nächsten morgen, das ziel ist die bucht vor der küste. Mit dem auflaufenden wasser wollten auch andere in den hafen, und ich sollte mich bitte außerhalb des tonnenwegs aufhalten, meinte der lotse. Spätestens hundert meter vor dem dampfer hätte ich es sowieso getan, denn ich musste rechts abbiegen. Der weg in die bucht ist recht flach, oft nur noch zehn zentimeter unterm kiel, also mehr als eine handbreit.
Eigentlich ist der neue ankerplatz nur drei meilen enfernt, fahren musste ich dann doch sechs. Ich bin hier bei hochwasser herein gekommen, hinter mir das festland und vor mir die offene see mit der insel Le Père. Das gute ist, dass kein anderes schiff hier liegt und die wellen nicht bis hierher laufen können. Was nicht so schön ist: das schiff hat zuviel tiefgang und steht bei ebbe im schlick, geht aber.
Übermorgen will ich dann zurück in die marina, machen kann ich erstmal kaum etwas. Die tablettendosis habe ich mal verdoppelt, weil ich eine neue packung aus der bordapotheke angefangen habe, und das sind vierhunderter portionen.
Segeln mit einem gequetschten daumen, schnittwunden an den händen, einem verstauchten fuß oder mit einem halben rücken ist absoluter mist. Ich komme so noch nicht einmal an land mit dem schlauchboot, kann keinen motor heben und rudern geht auch nicht. Dafür habe ich bislang kein backup und das gibt mir doch zu denken. Einhandsegeln ist ok, doch einarmsegeln ist nicht mein ding. Man überfliegt diese probleme gern schnell in der vorbereitungsphase, soll ja auch nicht passieren, nur wenn doch, ist es nicht mehr lustig.
Auch wenn ich gern hier in dieser bucht bleibe würde, meine bestände gehen zur neige. Mein wassertank ist seit heute leer, im kühlschrank ist nichts frisches, mein trinkwasser ist noch für fünf liter gut. Also morgen mittag anker hoch und zurück.
Der rücken wird auch nicht wesentlich besser, nur in nuancen. Dabei zieht es oft schon bis ins knie herunter, spaß machen ist etwas anderes. Auch versuche ich, zur zeit nicht über die weiterreise nachzudenken, denn das wäre im moment eine klare entscheidung für’s ende.
Morgen will ich weiter oder eher zurück, wenn das wetter mitspielt. Hoffentlich gibt es wieder einen guten platz in der marina, viel rumhüpfen und springen ist nicht drin. Na ja, das wetter war gut, bis zum anlegen und dann kam ein platzregen.
Aber davor musste ich noch einmal kotzen, extrem dicker hals. Alles schön vorbereitet, alle fender auf der linken seite befestigt, leinen klar, die vordere auf einer stange, so dass jemand vom steg aus diese ergreifen kann. Nur die ankerwinch hat den dienst eingestellt und so kam ich erstmal nicht los. Mit hilfe einer kralle, einer kurbel und rudimentär mit der winch habe ich das zweiunddreißig kilogramm stück eisen aus dem schlick gezogen. Dann noch die boje heraus, die sich auch eingegraben hat und dann ab in richtung hafen.
Hier liege ich erstmal am hydrographischen boot, da alles voll ist, so ein schiet. Ich hoffe die situation bessert sich in den nächsten tagen, denn ich will hier fünf monate liegen, heimaturlaub. Dies war erstmal die letzte fahrt und der letzte reisebericht vorerst.
Nachtrag: der rücken bessert sich von tag zu tag und die drogen sind abgesetzt.
Hallo Wolfgang,
ganz knapp sind wir seit zwei Monaten aneinander vorbei gesegelt oder haben uns den Anker ‘in die Hand gegeben’.
Zu spät bin ich von einem Deiner Leser auf Deinen Blog aufmerksam gemacht worden. Sonst hätte es vielleicht geklappt.
Dein Schiff hatte ich aber sehr wohl in Mindelo gesehen.
Jetzt trennen sich leider unsere Wege.
Wir sind zur Zeit in St. Laurent im Maroni-River und in zwei Wochen soll es nach T&T weiter gehen.
Dir gute Bessrung mit dem Rücken und eine tolle Zeit.
Herzliche Grüsse
Sabine