Da haben sie mich in Brasilien doch noch ein wenig über den tisch gezogen. Die gasflaschenfüllung für vierzehn euro, die marina für zweihundertfünfzig plus fünf prozent aufschlag für kartenzahlung. Das taxi sollte ein valetaxi sein, bei einem einkauf über hundert euro sollte es einen gutschein geben, den man mir nicht gegeben hat. Letzteres nicht schlimm, das taxi hat so dreifünfzig mit trinkgeld gekostet.
Der kühlschrank ist voll mit frischen sachen, für das bier ist kein platz mehr. Hochwasser ist um ein uhr und jetzt nur noch das schiff klarieren. Dabei ist mir die mumifizierte leiche meines geckos in einer plastikdose untergekommen. Vielleicht ist es ein zweiter, aber ich befürchte leider nicht.
Pünktlich zum hochwasser am dreiundzwanzigsten November habe ich ausgeparkt und bin richtung flussmündung geschippert. Nichts aufregendes, gewohnte flusslandschaft und an der vorletzten tonne habe ich die segel gehisst. Nur dann kam wieder die gleiche aktion, wie vor zwei monaten. Der kurs sollte südost sein und es ging nur nordost, da ich mich auch von der küste freihalten wollte. Im dunkeln drehte der wind dann weiter und der südkurs wäre möglich geworden. Leider waren da draußen über zwanzig verschiedene lichter, unberechenbare fischer. Nach mitternacht gab es dann eine patentwende, die ich zum kurswechsel nach süd genutzt habe. Diesmal waren es nur dreißig meilen umweg und am morgen war ich wieder auf der höhe von Jacare, aber weit draußen. Noch einen monat bis weihnachten.
Der zweite tag auf see war sehr gut, das streckenergebnis war ok, achtzig seemeilen und alle in die richtige richtung. Ich gewöhne mich an die widrigen schrägen zustände und mache das beste daraus. Das wetter ist sonnig und trocken und in der nacht ist es schon etwas kälter.
Meine verbesserung mit der rolle am großsegels ist noch nicht akzeptabel. Das reffen vor der nacht und dem sonnenuntergang ging gründlich in die hose. Alles vorbereitet, aber als das großsegel herunter sollte, wollte es nicht. Ich ahnte es schon, schuhe anziehen und in die mastspitze. Die rolle am segelkopf hat einen wirbel, und so hat sich das fall zigmal um sich selbst gewickelt, kein auf und kein ab. Oben konnte ich die rolle drehen und schon ging es. Glücklicherweise wenig wind und kaum wellen, trotzdem eine aktion mit viel festhalten, konzentration und kein falscher griff. Also muss demnächst die rolle fixiert werden.
In der nacht hat der wind dann pünktlich gedreht und die strecke zum ersten wegpunkt ist fast gesichert.
Der dritte tag war nicht aufregender als der zuvor. Wenig wind und somit nur fünfundsechzig meilen gesegelt. Dafür gab es in der nacht häufig fehlarlarm durch das radar. Sicherlich irgendwelche größeren wellen und somit dauerte der signalton nur wenige sekunden. Aber auch zwei richtige waren dabei, die hören dann nicht auf, solange schiffe in der alarmzone sind. Einmal links vorbei und einmal rechts, im abstand von drei meilen.
Der nächste tag war ruhig mit einem etmal von fünfundsiebzig. Dabei gab es in der nacht keinen alarm und erst am morgen nach dem kaffee kamen die gewitterwolken mit wind. Währenddessen habe ich den wendepunkt abgekürzt und so ist der kurs ab jetzt mehr als süd. Soweit es geht. Die benutzung der dusche bei schräglage ist sehr anstrengend, aber musste einfach mal sein. Ein frischer neuer tag ist ein guter.
Als die regenfront durch war, gab es wieder nur wenig wind, langsame drei knoten und alles in die richtige richtung, also netto richtig gut.
Eine dauerbaustelle hat sich wieder aufgetan, die popnieten vom baumniederholer. Diese nacht war wieder ade, auch die ausführung aluniete mit kleiner schraube in der mitte hat nicht so lange gehalten. Jedoch war dies die längste zeit, immerhin seit Guayana. Ab sofort werden als test va-nieten verwendet.
Diese baumniederholerreparatur habe ich dann auch sofort in angriff genommen, gar nicht erst wieder eine liste anfangen. Die operation lief während des betriebes und wenig entspannt. Nur diese nieten sind echt an der belastungsgrenze der zange oder ich bin zu schwach. Die stifte zum abreißen zu bewegen hat schweiß gekostet.
Der rest des tages verlief wie die tage zuvor, die nacht war ruhig und wieder waren es fünfundsiebzig meilen. Mal sehen, wie es weiter geht.
Alles wird auf einmal reif und der kühlschrank machte auch schon mal pause. So gab es die avocado auf zwieback zum frühstück und zur mittagszeit mit zwei fälligen tomaten als salat. Zwischendurch noch eine banane, nachdem ich am vortage schon sechs gegessen hatte. Die letzten beiden gingen über bord, waren schon nicht mehr für meinen gaumen geeignet. Ich hätte die teile an verschiedenen orten reifen lassen sollen. Ich lerne noch dazu.
Dann lies der wind nach, zuerst war das segeln noch mit motorunterstützung machbar, aber am nachmittag gingen die segel runter. Treibend ging es durch die nacht mit dem tageserfolg von nur fünfzig meilen. Davon ein drittel in die falsche richtung getrieben.
Dann fängt meine windfahne an zu mucken, das nervt auch. Hoffentlich hält sie bis Piriàpolis durch.
Ein neues projekt habe ich mir auch ausgedacht: von der bierdose zur opferanode. Bisher hatte ich die dosen im meer versenkt und auf die langzeitrecyclingdauer gebaut. Irgendwann kommt das alu wieder zum vorschein, in der form von magna aus einem vulkan. Wenn mal wieder zeit ist, werde ich mein projekt in die testphase bringen, also das metall zu schmelzen und in passende formen zu gießen.
Es passiert hier nicht so viel, wetter, wind, wellen stimmen soweit, besser geht natürlich immer. Und fast hätten wir das erste mal seit Jacare die hundert tagesmeilen geschafft, wenn ich nicht nachts um drei die segel heruntergeholt hätte. Zuerst wurde ich durch das radar geweckt, konnte aber nichts sehen. Der fleck war recht groß und die regenwolke kam näher, aber ohne wind. Es ist auch mal ganz schön, gewarnt zu werden, statt nass aufzuwachen.
Heute ist der erste Dezember und die bilanz der letzten woche ist als gut zu bezeichnen. Auch wenn ich in den letzten tagen ein wenig vom kurs abgekommen bin. Das ergebnis bis jetzt sind fünfhundertsechzig seemeilen und fast alle in die richtige richtung.
Der wind ist seit gestern mist, achterlich und das mag ich nicht, wenig kontrolle der segel und das gibt bruch. So ist ein rutscher gebrochen und die untere segellatte hatte sich vorn aus der halterung gemogelt. Beim ausreffen habe ich es noch gesehen und so ist sie gleich unter deck gewandert.
Der autopilot muss jetzt das schiff steuern, die windfahne ist bei diesen kursen überfordert, zumal ich nur noch mit dem groß fahre. Und zur abwechslung mal auf dem backbordbug, da ich zur geplanten route zurück will. Die erfahrungen des ersten teil der guayanareise haben mir gereicht.
Das zurück ist nicht so einfach. Es sind südkurse oder westkurse möglich, keine südwestlichen. Der wind ist noch immer nicht brauchbar und die wellen zermürben ein wenig. Kaum steht das segel mal, kommt eine wellenreihe, das tuch flappt und bläht sich dann wieder mit einen ruck auf. Das ganze schiff zittert und ich hoffe auf ein gewisse stabilität in den materialien.
Die letzte nacht war mal wieder treiben angesagt, am abend gab es keinen wind mehr. Ich habe wieder einmal auf dem boden geschlafen, eingekeilt und nicht sehr gut. Deshalb bin ich auch sehr gereizt, die ruhe muss zurückkommen.
Dieser wind und diese wellen sind nicht meins. Mit segelknallen schaffe ich zweieinhalb bis drei knoten und materialstress. Wenn ich die genua klein mache und zwischen den wanten fahre, sind es eineinhalb knoten. Ich warte auf eine winddrehung und fahre langsam südsüdwest.
Wenn man das zweite mal in der nacht aufwacht, um fünf, und die sonne sieht, geht es doch gleich viel besser los. Denn die nacht war wieder auf dem boden, aber besser als die letzte, weil ich sogleich keili hinzugezogen hatte. Es ist kein heimischer schlaf, unruhig, auf das radar lauschend, aber es kann als schlaf bezeichnet werden. Das segel war klein und der wind trieb das schiff in richtung geplanter route.
Der wind am morgen frischte auch auf und so geht es seit fünf stunden in richtung wegpunkt. Nicht ganz darauf zu, aber ziemlich nah und das bei fünf knoten. Mein nächstes ziel liegt noch zweihundert meilen entfernt, da kann sich einiges ereignen. Zum beispiel macht der autopilot geräusche. Und er ist der einzige, der in diesem achterlichen bis raumschotskurs das schiff in richtung halten kann. Es sei denn, ich stehe stundenlang am ruder und mache es nur halb so gut.
Heute ist der vierte Dezember und es geht gerade richtig ab. Der wind und die wellen haben zugenommen, mit gerefften segeln geht es um sechs knoten voran. Leider ist auch ein klein wenig ost im südkurs. Ein wenig strecke machen tut auch mal gut.
Schon das ergebnis von gestern über hundert meilen ist angenehm, wenn auch einiges ins off ging. Den fehler in der windsteuerung hatte ich bei sonnenuntergang gefunden, leider hat sie das schiff nicht auf kurs halten können. So wachte ich in der nacht in rauschefahrt in richtung südost auf. Seitdem ist der autopilot im dauereinsatz und macht auch schon wieder geräusche.
Danach gab es kleinholz. Ich wollte die reanimation der windsteueranlage bejubeln und dann brach das pendelruder beim ins wasser lassen. Das ist schon das zweite mal, doch diesmal wurde es zum treibgut. Weil ich im moment keine weiteren termine habe, wurde ein neues geschnitzt. Im holzlager fand ich ein annähernd brauchbares brett, flex raus, bohrmaschine raus und los ging es. Es wird keine farbe bekommen, weil es nur provisorisch sein soll, und außerdem ist es zu dünn.
Die weitere technische lösung ist die schraube, um die sich die windfahne dreht. Meine alte lösung war eine schraube mit durchgehendem gewinde, jedoch entsteht dabei wohl zu viel reibung oder blockaden. Die neue schraube mit kurzgewinde wird sich beweisen müssen.
Außerdem habe ich eine segelstellung mit verkleinerter genua und einer ruderanstellung gefunden, bei der das schiff mit achterlichem wind alleine steuert. Nur wenn es eine wellenkombination mit einer kräftigen böe gibt läuft das schiff aus dem ruder und luvt extrem an. Dann hat das hauptruder der windsteuerung ein problem, den alten kurs herzustellen. Aber besser als ohne alles.
Alles lief gut und das rekordetmal für diese reise wurde mit einhundertunddreizehn gefahren. Das wird nur sehr schwer zu übertrumpfen sein. Ich war unvorsichtig bei der halse und die windböe musste auch genau dann kommen. Hätte ich das groß mit der schot zuerst dichter geholt, wäre der baum nicht rübergerauscht und der segelkopf hätte noch verbindung zum tuch. Somit wird es erstmal nur mit der genua weitergehen. Das hätte alles nicht not getan.
Der wind frischt immer mehr auf, so um dreißig knoten, dafür geht jetzt ein super kurs, den der autopilot hoffentlich halten kann. Der wegpunkt drei liegt auf meiner höhe, nur hundert meilen entfernt.
Heute ist Nikolaus und meine schuhe in der plicht sind nur mit wasser gefüllt, schade. Seit gestern blässt der wind mit dreißig bis fünfunddreißig knoten bei sonnigem wetter. Nur einige wellen klatschen gegen die bordwand und dann kommt die gischt über. Da der wind leicht gedreht hat, habe ich den kurs auch geändert, auf mehr süd, um die gischt zu reduzieren. Der autopilot läuft sei gestern und dazu gibt auch der windgenerator strom ab, schön so.
Nur heute nacht kam ein monster vorbei, geweckt wurde ich durch das radar. Eine riesige regenwolkenfront mit bis zu fünfundfünfzig knoten, dann heftiger regen. Die wanderte so schnell durch das radarbild, es dauerte weniger als vier minuten, ein wenig unheimlich. Danach musste ich das groß neu festbinden.
Die ersten fünf tage im Dezember habe ich dreihundertneunundsechzig seemeilen gefahren, eigentlich nicht so schlecht.
Der riss des großsegels kann nicht nur von der halse herstammen. Ich vermute, dass schon ein schaden in der nacht zuvor entstanden war, nur sollte ich häufiger nach oben schauen. Dumm ist es trotzdem, und eine überlegung ist, einen früheren hafen in Brasilien anzulaufen. Nur dann gäbe es erklärungsbedarf bei den behörden. Mal sehen wie es weiter geht. Ich mache erstmal den kapitän Bligh.
Vier stunden später, solange läuft die windsteuerung mit dem hilfspendelruder schon, und das erstaunlicherweise zufriedenstellend. Das schiff läuft gut mit dem eingestellten kurs, obwohl das ruder nach hinten geneigt ist. Wenn es hält, gut so.
Die option nach Vitoria zu segeln, rechts ab zu biegen, habe ich fallen gelassen. Fünfhundert meilen mehr macht sechs tage, plus segelmacher und behörden. Ein zeitgewinn wäre nur gegeben, wenn der kran dort mich aus dem wasser heben kann, weiß ich aber leider nicht. So werde ich die vierzehnhundert meilen bis Piriàpolis mit gedrosselter genua segeln und hoffe, dass das eine gute idee ist.
Seit gestern abend ist der wind aus. Einfach weg, die wellen sind noch da geblieben und die dementsprechend ist es merde. Am morgen war es nicht besser und so läuft mal zur abwechslung der motor. Damit das nicht für die katz ist, fülle ich die wasserreserven auf. Das anwerfen vom wassermacher war nicht so einfach, ich vergaß, den haupthahn zu öffnen. Dann dachte ich, der impeller der förderpumpe sei gehimmelt. Nach der innerlichen persönlichen schimpfe lief das system noch immer nicht an, der schalter für die förderpumpe hat sich eingeschmolzen. Jetzt läuft ein provisorischer schalter aus einem Fiat, den ich anfang der achtziger auf einem schrottplatz habe mitgehen lassen, heute schon ein museumsstück. Der watermaker läuft endlich, riecht aber nach ampere, aber das gibt sich noch. Nur der wind bleibt zum mittag noch immer aus.
Ein weiterer tag ohne wind, nur geschaukel. Die motoraktion von gestern hatte noch etwas gutes. Am anfang der flaute vor zwei tagen bin ich nach osten getrieben worden, da war eine unschöne strömung. Nach den arbeitsreichen stunden von Mr Perkins treiben wir wieder in südwest richtung. Zwar ohne geschwindigkeit, dennoch kein stress wegen eines falschen kurses.
Das guanohotel war heute nacht auch wieder besucht worden. Diesmal keine kleinen zankenden vögel, sondern ein großer oder mehrere. Die hinterlassenschaften sind nicht klein.
Während der nacht gab es auch mal wieder ein flugopfer. Diese kleinen schwertfische sind bei mir selten, es ist erst der zweite. Und bis jetzt habe ich fünf portugische galeeren gesichtet. Die sehen wie barbies strandmuschel in pink aus, sind aber ziemlich tödlich. Deshalb verzichte ich auch aufs baden und das unterwasserschiff muss auch so bleiben.
Heute ist der neunte Dezember und seit gestern mittag ist der wind wieder da. Zum anfang ist es so toll, mit zwei oder drei knoten zu segeln, da es noch keine wellen gibt. Am abend habe ich trotz des schwachen windes gerefft, besser ist es ja. Und siehe da, gab es in der nacht wind um dreißig knoten. Auch die windfahne hat ihren job gut erledigt, bis heute morgen. Der wind hat mittlerweile gedreht und das schiff nach westen geschoben. Ich will SSW, also segel neu konfigurieren, den autopiloten an und seit dem sonnenaufgang gibt es wind von achtern. Ich hoffe mal, dass es so bleibt.
Einen tag später: Tapfer hat der autopilot die nacht durchgearbeitet und am morgen habe ich den kurs in richtung wegpunkt vier verschoben. Der wind hat nachgelassen, der erste tag mit trübem wetter und die windsteuerung arbeitet wieder.
In den letzten fünf tagen habe ich weitere zweihundertfünfundsiebzig seemeilen in richtung ziel gesegelt. Es geht jetzt langsamer und ruhiger als zuvor. Schnell segeln kostet material und jetzt muss ich mal ein wenig fuß vom gas nehmen.
Auch möchte ich so weit abstand von den bohrfeldern in der karte nehmen, wie möglich, sinnvollerweise doppelte entfernung.
Heute ist Sonntag, wie sein name schon heißt. Morgens war es noch stark bewölkt und dann klarte es auf. Gleichzeitig zog der wind ein wenig an, so um dreißig knoten, bis zu vierzig. Die wellenhöhe ist um vier meter moderat, entweder man ist im tal und sieht nur noch wasser oder man ist auf einen dieser größeren wellen und denkt an einen hügel auf einem hochplateau. Alles zusammen sind es gute bedingungen, die genua ist recht klein und der gewünschte kurs wird mit vier knoten befahren.
Der wegpunkt vier ist schon längst überholt und zur zeit sind wir auf der höhe von Rio. Wichtiger ist die route in dreihundert meilen entfernung, da muss ich drauf sein. Denn dort fängt der spaß mit der strömung wieder an.
Zwölfter zwölfter, zwölf uhr: der motor ist an und unterstützt die genua. Seit heute morgen um vier hat jemand den wind abgeschaltet und lange wellen hinterlassen. Ging gestern so gut und dann dies hier.
Der viele wind der letzten tage hat auch einiges an insekten aufs schiff gebracht, nicht nur die in den trockenen kichererbsen. Diese sind gestern über bord gegangen, sicher noch eine auswirkung aus Guayana. So um acht sorten von faltern habe ich gezählt, haben sich hierher gerettet, um dann zu sterben. Wie viel biomasse landet dabei eigentlich im meer?
Die windstille habe ich für das einpacken des großsegels genutzt, dabei ist mir noch eine aufgerissene kausch aufgefallen. Bald habe ich alle durch und somit sind dann alle stabil bis auf weiteres. Die nächsten drei gastlandflaggen sind auch schon fertig, danach muss ich improvisieren. Habe ja noch ein wenig zeit bis dahin.
Nach zwei stunden kam dann eine idee von wind, besser langsam zu segeln, als diesel zu verjuckeln, wenn die batterien voll sind. Zeit ist ja vorhanden und die tage werden schon merklich länger. In den sommer hinein zu segeln hat schon was.
Heute könnte Freitag sein, der tageszahl nach. Zuerst hörte der wind kurz vor sonnenaufgang auf und die strömung treibt einen in richtung süden. Ganz langsam, also akzeptabel. Dann ein paar stunden später fing der neue wind an, aber unbrauchbar von achtern. Ich habe es dreimal versucht, und um elf uhr ging es so halbwegs und das nur mit dem autopiloten.
Ich bin genervt, das wetter ist diesig und der kurs fast west. Also zurück zur roten route. Nach einer stunde war es dann auch wieder vorbei, nun treiben wir nach fast süd mit einem knoten, mist.
Das ergebnis von zwölf stunden sind drei stunden segeln und insgesamt zwanzig meilen. Die genua ist klein und festgebunden und so geht es in die nacht hinein. Heute war das ein satz mit x.
Bald kann ich eine geschichte mit x bilden. Das segel hatte ich gestern doch noch eingerollt und die nacht war dementsprechend mies. Dafür habe ich einen neuen besucher, ein art von spatz. Mal sehen wie lange er bleibt und überlebt, denn wo kann er schon hin. Es sind über hundertfünfzig meilen bis zur küste.
Zur abwechslung des speiseplans habe ich angefangen, eine bohnensuppe zu kochen. Bohnen einweichen und etwas länger kochen, nur wie lange und ist das wasser aus dem watermaker vielleicht schon zu salzig für hülsenfrüchte? Ich habe das kochbuch aufgeschlagen, und da fiel eine kleine schabe raus, lebendig. Danach habe ich ein dutzend von denen im fach gekillt, in der grösse eines fingernagels. Wo habe ich diese denn schon wieder her, auf jeden fall sind es welche mit nachwuchs, also eine dauerbeschäftigung.
Mit dem segeln hält es sich heute auch in grenzen, null seemeilen.
Am nachmittag hörte ich einen großen bassigen schiffsdiesel, konnte aber das schiff nicht ausmachen. Also radar an und mal sehen, wo es ist. Erst als ich den radius auf zwölf seemeilen erweitert hatte, war ein objekt in elf meilen entfernung zu sehen, je nach wellenhöhe. Es war halt windstille.
Die bohnen haben zwei stunden gekocht und waren noch immer erdnuss-aldente. Danach habe ich sie für eine weitere stunde in den druckkochtopf gesperrt und siehe da, essbar weich. Als ich dann die fertige suppe essen wollte, kam etwas dazwischen.
Der spatz hat das weite gesucht und ist dabei sicherlich gestorben. Die gewitterwolken kündigten durch den windgenerator luftbewegungen an. Sollte ich mitnehmen war mein gedanke und es ging los. Dummerweise ging dabei nichts in meine richtung, entweder nordwest oder ost, denn der wind kam aus süden. Mit motorunterstützung im standgas gingen zehn grad mehr, ende, mehr war nicht drin. Der kühlschrankverschluss bekam noch eine verstärkung von seinem großen bruder.
Mit der gerefften genua habe ich mich für den westkurs entschieden, ruder auf anschlag zum anluven und die segelstellung hoch am wind. Da waren es noch um fünfundzwanzig knoten wind. Also eine pause und die bohnensuppe auf dem fußboden sitzend gelöffelt.
Die schöne lang dünung vom nachmittag in richtung süden vermischte sich mit der windwelle aus süden. Das schiff fuhr quer zur welle, kein spaß. Ich habe dann das segel noch einmal verkleinert und es wurde dunkel zur nacht hin. Der wind nahm zu und blieb bis zum morgen bei um die fünfunddreißig knoten, auch mal mehr, dann fing beim windgenerator die stuka zum sturzflug an.
Und was habe ich gemacht? Den schlecht gemachten, geschönten film „Survive the Savage Sea“ angeschaut. Gerade das richtige, um sich auf eine schiffskatastrophe einzustimmen.
In der nacht noch ein paar mal eine kontrolle gemacht und versucht zu schlafen. Besonders nervig waren die brecher an der bordwand, die das schiff stark neigten und auch drehten. Der farbverlust im vorderen bereich erklärt sich auch so, und er hat sich verstärkt, sehr viele rote farbpartikel fand ich heute morgen an deck.
Wie schön, dass das ereignis in der dann folgenden nacht war und nicht in der letzten. Denn am tag hatte der wind in die richtige richtung gedreht und langsam abgenommen. Das wetter war bedeckt und klarte auch auf. In der nacht hatte ich die route wiedergefunden und überschritten. Alles im grünen bereich. Aber da sieht man wochenlang kein schiff und nun sind es gleich fünf und eine riesige bohrplattform in elf seemeilen entfernung.
Anyway, es war ein guter tag und das desaster zeichnete sich erst zum sundowner ab. Am horizont in meiner richtung sah ich eine riesige fackel und weitere stabobjekte. Entfernung noch zehn meilen, ich mag das radar inzwischen sehr. Das übergroße linsencurry mit couscus habe ich noch vollständig ausgelöffelt, für die nächsten stunden eine gute basis. Danach gab es noch einen weiteren schiffsstrandungsfilm aus der konserve und dann ging es los.
Die szenerie lässt sich schwer beschreiben, in der dunkelheit sieht alles so nah und groß aus, aber es übertraf alle mir bekannten objekte. Um zehn war ich auf der höhe der ersten fackel. Diese besteht aus einem recht großen schiff, ein kleinerer kreuzfahrer, hell beleuchtet, und vorn steht ein langer schornstein drauf. Oben wird daraus gas abgefackelt. Dazu gibt es ein versorgungsschiff und ein positionsbeleuchtungsschiff, denn es gibt hier keine bojen.
Im ganzen gebiet gibt es vier von diesen kreuzfahrtschiffen und weitere vier bohrschiffe, plus diverse versorger. Und links außen war eine sehr sehr große bohrinsel, da musste ich dran vorbei.
Der wind nahm zu und ich war gezwungen zu reffen, konnte aber nicht mehr die höhe halten, dafür ging der motor an. Ob sie mich angefunkt haben, weiß ich nicht, und wenn, war es zu laut, um zu sprechen. Um mitternacht hatte ich die größte fackel passiert und ein versorgungsschiff hielt auf mich zu und drängte mich ab. Die hatten angst um ihre teuere bohrinsel. Dann folgte ich seiner position und um drei uhr morgens war die bohrinsel hinter mir. Alles ging sehr langsam gegen den wind.
Dann dauerte es nochmal sechs meilen, bis ich bei zwei weiteren bohrschiffen und einer anderen bohrinsel vorbei war, als die sonne aufging. Die länge des gebietes sind zwanzig seemeilen, fährt man nur zwei knoten, dauert das passieren ewig.
Was für ein riesiger aufwand, um die schwarze brühe aus zwei kilometer wassertiefe und danach noch tiefer zu fördern. Ist zwar besser, als in ein land einzumaschieren und es zu klauen. Ich bin für umdenken, meint auch mein Mr Perkins.
Das war mal ein neues intro zu meinem geburtstag, ich sehe müde aus und mit roten augen. Nach dem letzten schiff habe ich ein wenig geschlafen und die segel neu ausgerichtet. Es ist segeln um die fünfundzwanzigplus, bei strahlendem sonnenschein, blauem himmel und kurzen wellen, die allerdings seitlich kommen. Ein schönes passendes geburtstagswetter.
Ich muss mich heute am siebzehnten Dezember noch immer von den letzten tagen erholen. Das geht mit schlafen ganz gut und dazu wird es kälter. Seitdem der spatz abgeflogen ist, ich glaube, er kannte die schwimmenden objekte in der gegend, habe ich die barfußroute verlassen. Es gab das erste mal seit langem kalte füsse an deck am morgen und im schiff sind es nur zweiundzwanzig grad. Die leichte wolldecke reicht gerade noch für die nacht.
Alle wichtigen frischvorräte sind aufgebraucht, einiges verdorben und die zwiebeln sind rationiert. Hätte ich mehr mitgenommen, wäre mehr über bord gegangen. Seit über drei wochen bin ich nun unterwegs und da sehe ich die frischebilanz recht positiv. Die menschen gehen in Brasilien anders mit obst und gemüse um. Im supermarkt wird alles schön aufgebaut, berge von allem werden gestapelt, nur leider wurde die ware vorher schon schlecht behandelt. Die druckstellen bei meinen kartoffeln sind ein guter beweis. Die stellen werden matschig, die schale bleibt stabil und drückt man darauf, so spritzt eine stinkende matschige gelbliche masse wie eiter heraus.
Außerdem sind die nahrungmittel fast immer mit zucker versetzt, passierte tomaten und sogar die gewürzgurken. Das können sie nicht, die kekse sind auch zu süss. Sollte man alles vorher wissen, um danach einzukaufen.
Ein nachtrag zu meiner begegnung mit der waterworld des ölbohrens: Wenn das gehirn nicht weiß, was es sehen soll, entstehen recht wilde bilder. Die indianer konnten Columbus’ schiffe nicht sehen, weil sie sie nicht kannten. Ich habe in der nacht mehrfach falsche sichten entwickelt, zumal auch die fülle des lichts mich umgehauen hat. Dagegen ist der hamburger hafen in der nacht eine dunkelkammer.
Die große fackel vom abbrennen war so hell und machte sogar löcher in den wolken darüber. Dieses szenario aus über zwanzig schwimmenden und sich bewegenden objekten war mir so nicht bekannt. Die beiden bohrschiffe am ende des feldes, sind in meinem kopf während der annäherung mehrfach mutiert. Vor der großen bohrinsel (die, die ich von Teneriffa her kannte, waren spielzeuge dagegen) sahen sie aus wie beleuchtete bojen, um eine distanz zur insel zu gewähren. Fünf meilen vor dem passieren sahen die objekte wie fußballfeldgroße tortenabschnittartige raumschiffe zur abfüllung von öl aus. Erst eine meile vorher erkannte ich den bohrturm als solchen auf dem schiff und da wurde es auch schon hell. Dies ist eine reise, um die sinne zu schärfen und neue erkenntnisse zu gewinnen.
Gestern war ein sonniger segeltag und der heutige soll ähnlich trocken werden. Seit heute nacht läuft der autopilot, da die windfahne es nicht nach meinem wunsch schafft. Jetzt ist nur noch wind um zwanzigplus knoten, aber mit einer großen welle und alles genau von hinten. Wenn das segel anluvt über einen gewissen punkt hinaus, so reicht die windsteuerung nicht mehr aus, lege ich das hauptruder zu sehr nach abfallen, geht es ins off und das segel schlägt um. Also läuft zweimal am tag kurz der motor, damit genügend strom vorhanden ist.
Gestern habe ich den weiteren kurs bestimmt und ein intervall der positiven strömung ermittelt. Deshalb muss ich heute mal wieder auf die andere westliche seite meiner route, passt also alles, bis jetzt.
Bis zum neunzehnten Dezember hat sich am wetter nicht viel geändert, wind, wellen, himmel sind grob gleich geblieben. Die wellen sind mal größer und höher, aber das war es schon. Wie groß sind die wellen denn, ich schätze mal, normal vier meter und die, die spaß machen, sechsplus. Dann fängt das schiff leicht an herunter zu surfen, zumindest wird es um einen knoten schneller. Das ist wie in der Biskaya, nur hatte ich zu dem zeitpunkt keine segel mehr.
Der spaß hier kostet auch, gestern war mal wieder ein bruchtag. Zuerst habe ich ein plastikdistanzstück von der genua auf dem deck gefunden. Zum glück ist es nicht über bord gegangen. Ich kenne das teil schon, denn vor einem jahr habe ich es auf den Kap Verden schon einmal wieder installiert. Damit das zweite teil davon nicht stiften geht, musste mein altes shirt als auffang um die genuaaufnahme dienen.
Das ganze muss wohl damit zusammenhängen, dass ich teile, die gut gelungen sind, als solche auch bezeichne. Kurz darauf gehen sie dann immer kaputt, großsegel, genua, windsteuerrung, kühlschrankverschluss, windgenerator.
Der mast vom windgenerator, der gut die vibration dämmt, hat sich gestern von seinem silentblock entfernt. Zuvor ist wohl die obere schelle zur reling gebrochen und jetzt ist er out of order. Der stromhauptlieferant ist nun Mr Perkins, zumal in der nacht über vierzig ampere stunden mit dem kühlschrank, radar, autopilot und den navigationsgeräten verheizt werden.
Alle paar tage geht es unter die dusche, im schiff. Das ist ziemlich heikel, da dort nichts zum festhalten vorgesehen ist. Heute war wieder so ein tag, bei dreißig knoten wind, vier meter wellen und das schiffschlingern von süllrand zu süllrand. Allmählich bin ich profi, weil es heute ohne blaue flecke abging. Bin ich so froh, die dusch eingebaut zu haben.
Am morgen des zwanzigsten wurde erstmal wieder der wind eingestellt, mit der ganzen genua komme ich nicht auf zwei knoten und die dünung lässt das segel schlagen. Somit warte ich mal wieder auf den nächsten wind bei leichtem regen.
Ich bin mit den letzten tagen sehr zufrieden, außer dass mein lieblingsküchenmesser verschwunden ist. Der letzte tag hat über neunzig meilen erbracht und ich bin oder war schon wieder auf der roten route. Die erste gefährliche position habe ich auch passiert, dort geht eine ostströmung ab und ich will da einfach nicht hin. Die letzten fünf tage haben mich dreihundertneunzig meilen in richtung süden gebracht, das ist super. Der nächste wegpunkt ist nur noch siebzig meilen entfernt und in der mitte vom strömungsintervall der nächsten vierhundert seemeilen.
Seit dem letzten absatz sind vierundzwanzig stunden vergangen. Kaum freue ich mich über das gute reiseergebnis und dann kommt gleich die totale flaute. Das segel ist eingerollt, das meer ist flach mit ein paar langen wellen und kein wind. Es ist zeit, um kleinreparaturen durchzuführen und für das entspannende nichtstun. Die schwache strömung geht genau an der route entlang, ein sehr guter trost.
Am morgen des zweiundzwanzigsten war die flaute vorbei, zwei tage reichen mir auch. Der wind ist schwach, aber das segel zieht mit zwei knoten auf den nächsten wegpunkt. Passt also.
Das meer sieht hier nicht mehr so klasse aus, sehr viel plastik in verschiedenen verfallsstufen. Gestern habe ich noch eine portugiesische galeere gesehen, es war mehr ein rettungsboot. Viele luftblasen auf dem wasser sind gar keine, sondern kleine quallen. Die bilder davon sind leider nichts geworden.
Das mit dem wind war gestern nichts, eine stunde am morgen und am abend vier. Dazwischen war er zu schwach, um das segel stabil zu halten. Heute morgen sieht es besser aus, aber ich möchte nicht schon wieder den tag vor dem abend loben.
Mal eine denkaufgabe, damit es mal spannend wird: Zwei schiffe fahren aufeinander zu. Ein kleines segelschiff mit einem knoten und ein grosser pott mit einer größeren geschwindigkeit. Das radar des kleinen schiffs hat eine alarmzone von zwei meilen breite und es schaltet sich alle zehn minuten für eine minute an. Wie schnell muss das schiff sein, um unentdeckt ohne alarm durch die zone zu fahren? Und wie bekommt man schnell das adrenalin des skippers wieder auf normal null, wenn er im halbschlaf durch das motorengeräusch von der matratze hochgerissen wird? Er ermittelte die entfernung mit dem radar auf fünfhundert meter, nautisch ist das ganz ganz nah.
Währenddessen habe ich den wegpunkt fünf passiert und brauche noch vierhundert meilen, bis ich in den Rio de la Plata rechts abbiegen kann. Vielleicht schaffe ich es noch dieses jahr, am nächsten ziel Piriàpolis anzukommen, wenn nicht, ist auch gut. Nach genau einem monat auf see ist es nicht mehr entscheidend.
Weihnachten ist heute, warten auf die geburt des sonnenkönigs. Meine bescherung gab es schon gestern, denn es wurde plötzlich warm. Das hatte zur folge, dass ungefähr fünfzig fliegen das licht der welt erblickten und auch wieder verloren. Meine sorge ist nur, wo im schiff haben die sich entwickelt?
Segeltechnisch war es ein guter tag, leider nur fünfzig meilen, da es nur mit rückenwind und bis zu drei knoten voran ging. Am abend gab es dann mal wieder einen farbenfrohen sonnenuntergang und dann folgte ein wetterleuchten ringsum. Nach dem kurzen regen hörte der autopilot auf zu arbeiten, er konnte den kurs nicht mehr erreichen. Der wind hat sich um hundertachtzig grad gedreht und so ist es auch heute morgen. Ein segelversuch ist gescheitert, mit motorunterstützung entweder südost in die zone der negativen strömung oder nach westen mit nordanteil. Erstmal ruhe bewahren und sich langsam nach norden treiben lassen, es wird sich ja irgendwann ändern.
Alle meine frischen lebensmittel sind aufgebraucht, die letzte kartoffel habe ich heute morgen gegessen. Bis auf eine dose butter muss nichts mehr gekühlt werden und daher ist der kühlschrank abgeschaltet. Das wasser schmeckt auch so, da es draußen kälter wird, so wie das auf den weg in den süden der fall ist.
Nach dem morgendlichen kaffee sah es dann doch anders aus. Bei bis zu fünfzehn knoten wind lasse ich mich nicht treiben. Also habe ich zuerst den kurs mit mehr südanteil gewählt und mich langsam hoch am wind in die richtige richtung gekämpft. Nach vier stunden die erste wende und mit motorunterstützung kurs genau west, mehr ging nicht.
Diese zeit nutzte ich fürs wassermachen, wenn schon, denn schon. Nach ein paar stunden war schon ein leichter südwest kurs machbar und zum sonnenuntergang ein richtiger. Während woanders auf der welt die tannenbäume entzündet wurden, habe ich als präsent in der nacht den wind für meine weitere fahrt bekommen. Wieder von achtern, aber genau passend für meine route. Etwas besseres hätte nicht passieren können, und zum morgen hin gab es wieder wolkenlosen sonnenschein an diesen fünfundzwanzigsten Dezember.
Die leistungsbilanz der letzten fünf tage ist eher bescheiden, nur zweihundertdreißig meilen. Dafür fast alle in die richtige richtung und bei achterlichem wind ist auch keine rauschefahrt machbar. Das ziel ist, halbwegs heil anzukommen.
Gestern ging es noch einmal richtig ab, zuerst wechselte das wasser von ultramarin blau zu britishracing green. Dann nahm der wind leicht zu, und ich dachte schon an einen neuen rekord, denn am späten nachmittag ist das schiff schon teilweise über sieben knoten bei achterlichem wind gesegelt. Zur dämmerung habe ich gerefft, man weiß ja nie, und um zehn uhr drehte der wind, kam aus der anderen richtung und das segel wurde eingerollt. Dann morgens um vier gab es wind um vierzig knoten und ich war auf der sicheren seite.
Der regenschirm, den ich über dem eingang verankert hatte, ist in der nacht davongeflogen. Nach dem einrollen des segels wurde es noch richtig spooky. Ein gewitter mit blitzen und sonst war es stockfinster. Das schiff in fünf meilen entfernung konnte ich an den lichtern sehen, wenn es blitzte war es unsichtbar. Da es hier keine lichtverschutzung gibt, ist es so krass, von dunkel zu mal kurz hell.
Dann war da doch noch der gecko an der tür zur plicht. Anscheinend habe ich doch zwei an bord gehabt. Der eine ist in der plastikware mumifiziert gewesen, der andere lebt noch.
Heute ist der siebenundzwanzigste Dezember und ich wollte schon ganz woanders sein, zumindest ein stück weiter. Das ausrechnen wie lange noch, wie viele meilen, hat keinen wert, da es sich stündlich ändert. Gestern bin ich flott zwei stunden am morgen gesegelt und dann war es wieder einmal aus. Im verschiedene richtungen bin ich getrieben und erst am abend konnte ich wieder für zwei stunden die genua ausrollen. Danach das gleiche trauerspiel noch einmal, und am morgen war ich nach insgesamt vierzig seemeilen wieder am selben ort, wie am tage zuvor.
Somit konnte ich mich nochmals dem dieselgenerator widmen, es war schon der zweite tag. Das teil ist ein jahr lang nicht gelaufen und der start war ein wenig mühsam. Er lief schon am ersten tag, doch die auspuffwasserkühlung wollte nicht so recht. Zu guter letzt ist er heute morgen angesprungen, mit seinem anlasser. Vorgestern habe ich es auch mal von hand probiert und den motor von seinen silentblöcken gerissen, chinaqualität.
Etwas neues ist heute auch passiert, und das ist nicht das regnerische kalte wetter, sondern die erste walsichtung. Mit fontäne, pusten und schwanzflosse in die höhe zum abtauchen.
Noch drei tage bis zum jahreswechsel und am morgen schon wieder kein wind. Die nacht bis um vier uhr war schlummern im stundentakt angesagt, da ich die genua nicht gerefft hatte. Kurs und geschwindigkeit waren im rahmen, aber beim ersten leichten morgenrot hörte es auf und ein längeres stückchen schlaf konnte beginnen.
Das meer hat wieder auf blau geschaltet und das liegt nicht an der sonne. Im wasser sind hunderte von den portugiesischen galeeren, in ganz klein. Ich komme deren kinderstube immer näher, nur ablichten lassen die durchsichtigen quallen vom schiff aus sich nicht. So habe ich eine mit der pütz gefischt.
Vielleicht schaffe ich es ja bis silvester in den zielhafen, es sind nur noch zweihundertfünfzig seemeilen. Allerdings bei null wind eine distanz wie bis zum mond, wo wir auch noch nie waren.
Am morgen des neunundzwanzigsten das gleiche bild wie am tag zuvor, kein wind, flache see. Als ergebnis, dass ich gestern zwei mutige braune möven mit mariakeksen gefüttert habe, ist heute die ganze verwandschaft am boot versammelt. Geschätzte hundert vögel, zum glück will nicht jeder einen keks.
Seit gestern bin ich volle fünfunddreißig seemeilen zum ziel geschippert, etwas gesegelt, etwas mit motor und den rest treibend. Heute ist Donnerstag und somit wäre es nicht schlecht, erst nach neujahr anzukommen, denn dann haben die geschäfte wieder geöffnet.
Eine weitere unnette überraschung gab es heute morgen, leichte kohlenwasserstoffaromen im schiff. Zuerst vermutete ich eine durchgerostete verdünnerdose, doch es war der halbvolle zehnliterkanister mit benzin. Aus der backskiste über den schlauch in den duschsumpf hinein. Wahrscheinlich hat der alte gartenschlauch aber nicht stand gehalten und ein grosser teil ist in der motorraumbilge gelandet. Einen liter konnte ich noch aus dem kanister umfüllen, einen weiteren mit lappen und küchenpapier aufsaugen. Jetzt sind alle luken auf, um die gase entweichen zu lassen, une grande merde. Wenn ich schnüffler wäre, dann wäre heute mein glückstag.
Die sonne kam gestern heraus, der sprit ist fast leer und heute ist der tag des rechtsabbiegens. Nachdem ich die braunen möven gefüttert hatte, kam kein wind. Erst nach dem mittag konnte ich zwei knoten segeln, später drei. Am abend waren es schon vier und nach dem sonnenuntergang sogar fünf. Das war mir aber zu schnell, segel reduziert und nach einer kleinen winddrehung eingerollt. Ich will möglichst nicht von meiner route abweichen, es strömt unschön um mich herum.
Das segelergebnis der letzten fünf tage mit der vielen flaute ist ok. Ich konnte mich im intervall zwischen den blauen linien bewegen und blieb nah an der route. Nur um den sechundzwanzigsten herum, bin ich im kreis gefahren. Aber ich bin insgesamt zweihundertneunzig meilen gesegelt und zweihundertfünfzig davon in die richtige richtung.
Gestern war wieder ein schöner segeltag, der wind fing langsam an und hielt sich bis zum fünfuhrtee. Das reichte aber, um den wendepunkt sechs abzukürzen und auf Uruguay zu halten. Am abend kam wieder ein idee von luftbewegung, die ich für die nacht nutzte, irgendwie mit dem verkleinerten segel in die grobe richtung. Dabei gab es am nachmittag einen druckabfall von acht hPa, der starke wind blieb aber aus.
Am silvestermorgen zeigt die windanzeige zwar drei windstärken an, aber mit der dünung geht fast nichts und die sicht ist feucht trübe. Mit einen glas schampus auf das kommende jahr anzustoßen, muss ausfallen, denn seit zehn tagen ist kein sprit mehr an bord, gut so.
Die zweite bohnensuppe habe ich gleich im drucktopf angesetzt und nach neunzig minuten ein leckeres ergebnis erzielt. Ich bin froh, mir dieses teil in Sassnitz gegönnt zu haben.
Eine weitere baustelle habe ich gestern als solche festgestellt, nicht dass ich den rost seit Guayana übersehen hätte, aber bei näherer betrachtung ist da ein kleiner riss an der oberwantaufnahme an deck. Wie schön, dass hier die schwächste stelle im system ist und keine want gerissen ist. Also muss ich die stelle aufflexen und neu verschweißen.
Silvester ohne geknalle, keine raketen und ohne kotzendes volk auf den straßen. Geht doch. Was nicht so recht will, ist der wind. Ich bin sehr froh, dass das abbiegen so gut funktioniert hat und dass ich danach noch ein stück in die strömungsarme zone gesegelt bin. Seitdem ist eine nicht segelbare flaute, wind bis zwei stärken. Die spitzen davon kann ich ein wenig nutzen, beim rest wird die genua verkleinert und stramm gezogen, damit sie nicht unnötig schlägt. Damit, und mit einer motorstunde für die batterien schaffe ich dreißig meilen am tag.
Das neue jahr fängt auch mit einer unliebsamen erscheinung an, nebel. Kein wind, keine sicht und das radar schaltet sich alle zehn minuten an, um nicht von einer verirrten Titanic überfahren zu werden.
Die letzten hundert meilen sind oft die schwersten, diesmal wohl auch. Bis jetzt habe ich mich nur fünfzehn meilen von meiner route entfernt, und wenn ich das richtig kalkuliert habe, wird mich der küstenstrom wieder dorthin spülen. Zur zeit sieht es so aus.
Bin ich vielleicht genervt, das neue jahr fängt sicherlich gleich mit einer höheren geldausgabe an. Vor ein paar tagen habe ich noch mein radar gelobt und nun ist es hin. Ich habe vorgestern ein reset durchgeführt, da ein wichtige funktion nicht mehr anwählbar war. Es hat sich trotzdem nicht viel geändert und im diagnosesystem wird ein antennenstatus von ‚nicht gut’ angezeigt. Somit bin ich dreimal in den mast, eine lesebrille ging dabei über bord und fast auch mein schraubenschlüssel. Keine änderung, kein defekt optisch erkennbar.
Die letzten nächte bin ich also, ohne es zu ahnen, blind gefahren. Gemerkt habe ich es heute mittag als ich den riesigen tanker gehört und gesehen habe, aber nicht auf dem radarbild. Grande merde deux.
Zweiter tag im neuen jahr und für mich eine schlimme nacht. Es schläft sich kaum im stundentakt, zumal im kopf das fehlende radar permanent alarm sendet. Somit komme ich auf vielleicht vier stunden ruhe.
Dabei gab es guten wind mit der halben genua ging es richtung der zielgeraden. Am morgen hat der wind leider auf südost gedreht, jetzt ist er achterlich mit einer kreuzsee. Das segel steht nicht gut und somit läuft Mr Perkins im standgas, um eine mindestgeschwindigkeit zu halten. Noch sind es fünfzig meilen bis zum hafen, es könnte funktionieren.
Das meer ist seit tagen grün und die schmutzanteile erhöhen sich, je näher ich an die küste komme. Einen hai habe ich gestern sehr nahe beim schiff gesichtet, der muss sich noch gedulden.
Zum mittag hin ist der wind eingeschlafen, für wind von hinten ist eine schwache drei zu wenig. Deshalb habe ich umdisponiert und werde die kleine insel Gorriti vor Punta del Este ansteuern. In meinen gesammelten seeinfos habe ich einen ankerplatz an der ostseite ausfindig gemacht. Dann sind es morgen noch einmal zwanzig seemeilen und ankunft am tage.
Die insel sieht nicht so aus, wie in den beschreibungen, und so habe ich mich am norden der insel zu den ausflüglern hingelegt. Der platz ist so gewählt, dass, wenn ich mit dem wind treiben sollte, es in den Rio de la Plata gehen würde. Der wind am morgen begrüßt mich auch mit dreißigplus knoten und ein paar hundert meter vor mir hat ein kreuzfahrtschiff seinen anker geworfen. Diese stadt an der mündung sieht scheußlich aus und besteht aus über hundert hochhäusern, alle über fünfzehn stockwerke.
Jetzt noch den morgenkaffee, dann ankerauf und segel raus für das letzte stück.
Für dieses letzte stück von achtzehn meilen habe fast acht stunden gebraucht. Morgens wurde das schiff vom salz befreit, ging recht schnell. Dann ankerauf und lossegeln, zuerst bei fünfundzwanzig, dann über dreißig knoten. Alles super, nur auf der argentinischen seite braute sich ein heftiges gewitter auf.
Aber der wind stellte auf dem halben weg die arbeit ein, also motor an. Dann kam der hauptwaschgang salzentfernung, wind mit regen um fünfundvierzig knoten vom land her. Der autopilot konnte nicht mehr den kurs halten, das schiff war zu langsam. Danach nur regen und plötzlich das ganze nocheinmal, diesmal vom meer her, aber mit fünfzigplus knoten. Da kommt man schon ins schwitzen bei der legerwall situation. Die regenkleidung, die ich angezogen hatte, half nicht mehr, die war von außen und innen durch.
Als der wind sich verzogen hatte, kochte nur noch das wasser und den hafen habe ich bei trockenem wetter erreicht. Was für ein kurztrip.
Für die geplante strecke von zweitausendzweihundertundfünfzig meilen habe ich nur zweihundert mehr gebraucht. Die planung mit der strömung war sehr hilfreich, trotzdem hat diese reiseetappe einundvierzig tage gedauert. Das lag wohl auch an dem fehlenden großsegel und daran, dass ich in einem rutsch durchfahren wollte.
Hey Wolfgang,
hab nach längerer Webabstinenz mal wieder Zugang und bin natürlich sofort auf deine Seite gesegelt:-) Hast ja mal wieder einiges erlebt/erduldet/ertragen! Freut mich, dass du es so positiv angehst. Schön, dass du dir die Zeit für die Berichte nimmst – weiß man warum man im Mittelmeer bleibt;-)
Nun gut will nicht ärgern und drücke dir die Daumen, dass die nächste Etappe auch so erfolgreich verläuft.
Grüße aus Almerimar
Arno
hallo Arno,
bleib ruhig auf der nordscheibe, vielleicht noch bis zu den Kap Verden.
Danach wiederholt sich so vieles und es gibt nur wenig richtig neues.
Alles gute für euch und dem schiff
Wolfgang
Hallo Wolfgang,
wiedermal eine herausragende Leistung, zu der ich Dich herzlich beglückwünsche!
Über vierzig Tage allein auf See – damit trittst Du schon in die Fußstapfen der ganz Großen. Unglaubliche Segeldistanzen, die Du da alleine zurücklegst. Und ich freue mich, dass Du den Törn ohne große Blessuren hinter Dich gebracht hast.
Ich muß zugeben, dass ich mir schon manchmal Sorgen gemacht habe, zum Ende hin immer mehr, weil ja auch für uns Daheimgebliebene die Zeit immer länger wurde bis zum nächsten Bericht.
Und ich muss mich Tobias anschließen: Die Sache mit dem Hai hat mich auch etwas geschockt…
Aber Du wirst das Ding schon wieder nach Hause segeln..
Weiterhin viel Erfolg und ein glückliches neues Jahr 2017. Bin gespannt, wo Du am Ende dieses Jahres sein wirst …
Gruß
Jörg
hallo Jörg,
die vierzig tage sind eigentlich kein problem, wenn frische lebensmittel länger halten würden und das bier nicht so schnell verdunsten würde.
gruss aus Pirapolis
Wolfgang
Mit grossem Interesse lese ich die Reisebeschreibung auf dem Weg nach Kap Horn – der logische Weg (Moitessier), für den ich weiterhin eine glückliche Hand und günstige Segelbedingungen wünsche.
Hallo Wolfgang,
erst einmal ein gutes und erfolgreiches neues Jahr 2017 wünsch ich dir.
Hier ist diese Tage Glatteis bei Minus 8° Grad.
Danke für deinen ausführlichen Bericht, war schön zu lesen.
Ich tue Obst und Gemüse, frische Ware in Gefrierbeutel und ziehe die Luft raus,
so hält sich vieles etwas länger.
Ich denke du hast jetzt einige Hafentage für die diversen Reparaturen.
Auch ich bin schon gespannt wie es weitergeht.
Beste Grüße Gela
Ich werde das mit den gefrierbeuteln mal ausprobieren.
danke
Wolfgang
toller und ausführlicher Bericht!
Insbesondere der Teil über das Sehen und das erforderliche Wissen dazu, hat mich zu weit abschweifen lassen.
Den Hinweis über die Geduld eines Hais habe ich hoffentlich falsch verstanden.
Ich bin mächtig gespannt wie deine Reise weitergeht.
Viel Erfolg und alles Gute Tobias