Kurz vor zehn uhr habe ich abgelegt und kurz nach siebzehn uhr wieder angelegt, in kurzform. Dazwischen lagen über dreißig seemeilen mit beiden segeln und fünf bis sechs knoten durchs wasser. Der wind war eine schwache vier und aus fast der richtigen richtung. Nach zwei bis drei halsen bin ich in die bucht von Vigo eingefahren, dann auch mal ohne die genua, zum testen. Unterwegs gab es den ersten bruch, die zwei nieten vom rodkicker hat es abgeschert. Entweder hat der typ saumässig gearbeitet, oder die nieten sind die falschen. Zweiteres teste ich aus, denn die neuen sind schon appliziert.
Vigo und die weiterreise wollten ordentlich geplant werden. Ich hätte mir um sechs uhr abends noch die stadt zur brust nehmen können. Habe mich aber für die baumreparatur und eine dusche entschieden, gut so. Morgen wird die stadt erkundet und am nachmittag geht es weiter. Bis Porto sind es von hier ungefähr vierzehn stunden, zu lang für einen tag. Also später losfahren und dann werde ich dort am morgen ankommen.
Die marina in Vigo ist zwar chic, aber doch weit ab vom schuss. Ich liege wieder längseits am steg der großen schiffe. Hinter mir ein alter schoner und vor mir ein zweimaster von fünfzig meter länge. Die große winch hat die grösse meines lavamacs. Themroc sieht dagegen wie ein beiboot aus. Wollte ich so ein schiff haben? Eher nicht. Ich veranschlage mal einen riesen pro tag für personal, marina und unterhalt. Wer kann ehrlich soviel schotter verdienen, ohne über leichen zu gehen?
Heute hat es ganz schön lange gedauert, bis ich im zentrum von Vigo war, denn ich liege in Bouzas, einem vorort, der mit Vigo zusammengewachsen ist. Die stadt Vigo ist an einem hügel gebaut worden und so geht es auch häufig bergauf. Der hafen, in dem ich liege, lebt teilweise noch, auch wenn die fischerflotte hier eingemottet ist und auf den abwracker wartet. Auf der anderen seite werden aber auch wieder neue schiffe gebaut. Die großen kühlhäuser, die ich hier gesehen habe, sind alle ausser betrieb und zerfallen.
Wenn man teile für sein schiff braucht, ist das der richtige stadtteil, die straßen parallel zur uferstrasse. Das erste, was mir auffiel, war die alte hafenpromenade. Heute sehr zerfallen, der baustil erinnerte mich an Muros mit den rundbögen. Dort, von wo aus ich fotografiert habe, war früher der strand. Dann kam irgendwann die vierspurige straße, dann der neue fischereihafen mit lagerhäusern. Hinter diesen ruinen ist dann das sehr alte Vigo.
Ich bin an der uferstrasse weiter gefahren ins alte Vigo der jahrhundertwende. Einige schöne häuser sind noch stehengeblieben, der rest musste den schrecklichen hochhäusern weichen. Diese sind meistens acht stockwerke hoch und die straßenzüge erinnern mich an Gijon, gleicher stil. Was aber geblieben ist, sind die strassenlaternen von 1832, wenn auch heute teilweise mit led lampen.
Im großen und ganzen gibt es in Vigo schöne ecken. Man sollte aber gleich zum club real nautico im zentrum fahren, dann erspart man sich den langen weg mit dem rad dorthin. Und kann mir jemand sagen, was die hier mit den tausenden va-rundstangen im durchmesser von zwanzig zentimeter machen?
Meine wetterinformationen hole ich mir direkt über zyGrib und windfinder, meistens stimmen sie überein. Wen wundert’s, nutzen sie doch dieselbe datenbasis. Für die weiterreise nach Porto waren fünf bis sechs windstärken mit böen angesagt. Das sollte machbar sein. Um vier uhr habe ich, wie geplant, abgelegt und bin mit sonnenschein hinaus aufs meer. Schon in der bucht von Vigo lief Themroc sehr schnell und schräg. Wenn der erste gedanke zum reffen kommt, sollte man es auch gleich tun. Also gleich das zweite reff ins großsegel und die genua verkleinert. Hat außer der schräglage nicht viel genutzt, über sieben knoten durchs wasser. Auf dem meer habe ich die genua nochmals verkleinert, ohne erfolg. Bis zu neun knoten über grund. Die wellen und die strömung trieben einen vor sich her.
Das ging mir alles viel zu schnell, ich wollte erst bei tagesanbruch in Porto ankommen. Also die genua weg und das dritte reff ins groß. Mit dem restlichen taschentuch ging es immer noch mit fünf knoten voran. Der autopilot leistete volle arbeit, wind von hinten. Die wellen waren so hoch, wie nach dem unfall im oktober in der biskaya.
In der nacht fiel die entscheidung, nicht nach Porto einzulaufen und stattdessen den uncharmanten hafen atlantico porto zu nutzen. Jetzt sage ich, dass es die richtige entscheidung war. Ankern im vorhafen konnte man sich abschminken und bei dunkelheit ist es hier sehr unübersichtlich. Glücklicherweise konnte ich am besuchersteg längseits gehen. Das war ein ritt zum nachdenken.
Die marina ist leicht heruntergekommen, dafür preislich angepasst. Wen die gerüche der angrenzenden raffenerie nicht stören, der liegt hier gut. Das beste ist die straßenbahn in fußnähe, die einen direkt in die altstadt von Porto bringt.
Vorweg, ich kann die begeisterung für diese stadt nicht so verstehen. Ich habe nur ein bisschen geknipst, denn wenn ich den zerfall abgelichtet hätte, so müsste ich die terrabyte platte im gepäck haben. Das schlimme daran ist, dass die häuser langsam wie karies angegriffen werden. Ein haus ist undicht, regen und feuchtigkeit haben ihr leichtes. Das zieht sich durch ganze straßenzüge.
Ich mache mir gedanken, warum das so gekommen ist. Ich vermute, dass das sterben der straßenbahn die gleichen ursachen hat. Der sprit war günstig, die leute wurden angefixt und das auto stand vor der tür. Nur in diesen strassen ist kein platz dafür. Die wohnugen waren klein und anstatt zwei nebeneinander zu nehmen sind sie in die neubauviertel gezogen. Leerstand in den altbauten, schlechte wartung und beginnender zerfall.
Was wäre, wenn auf die bananenrepublik kein eisen im letzten krieg gefallen wäre? Dann hätten wir das vielleicht das gleiche problem mit muffigen unbewohnten und maroden altstadtkernen.
Nun mal etwas zum schiff, da mehrere danach gefragt haben. Vorweg, für eine person ist es zu groß, zu zweit oder dritt ausreichend. Die genua ist etwas über fünfzig qm² und das groß fast vierzig mit drei reffs. Meine alte genua war zehn prozent größer und damit allein bin ich schon siebeneinhalb knoten gesegelt. Das schiff segelt recht aufrecht, wenn es schräg wird, ist der zeitpunkt des reffens gekommen. Die genua sollte hochgeschnitten sein, denn das schiff geht mit seinem gewicht auch durch eine welle. Bei weniger als windstärke zwei kann man die segel unten lassen.
Die plicht ist noch immer jungfräulich, da war noch keine welle drin. Nur spritzer, die gegen die bordwand geschlagen sind. Auch keine welle von hinten aufs deck.
Die geschwindigkeit, die Anton L. angegeben hat, bezieht für ein kleineres schiff ohne ausrüstung. Meines wiegt sicherlich vier tonnen über der angabe des konstrukteurs, der letzte kranführer meinte etwas von achzehn tonnen. Somit ist es keine rennziege, dafür sehr stabil.
Durch ein anderes motorenkonzept könnte man sehr viel raum gewinnen, bei mir könnten es zwei kubikmeter mehr sein. Für speziellere fragen bin ich offen.
Der So verging mit einer superschönen fahrt mit fünf bis sechs knoten und windstärke bis vier von achtern. Unterweg habe ich zwei tauben mitgenommen. Die erste kam bei Porto auf’s schiff, eher eine bruchlandung. Da kann der taubenzüchter mal danke sagen, das tier war verwirrt und vier weitere kreisten vorerst ums schiff. Eine ist beim landeanflug fast ins wasser gefallen und weiter geflogen. Die bruchlandung habe ich dann auf den rettungsring gesetzt und nach einer halben stunde ist auch sie weitergeflogen.
Die zweite habe ich weit draußen vor Aveiro aufgegriffen. Mit dem landen auf einem schiff haben sie wohl wenig erfahrungen. Diese war auch eine brieftaube und richtig erschöpft. Nach einer stunde fing sie an das schiff zu besichtigen, fand ich nicht lustig, sie kam aber wieder nach oben. Als ich den ankerplatz nach einer weiteren stunde gefunden hatte, gab es noch einen schiss aufs holz und auf mein sitzkissen beim abheben, danke. Selbst als lebensretter wird man noch beschissen. Stellt sich die frage, warum haben die tierchen die orientierung verloren?
Die fahrt vom segelbergen auf dem meer bis zum ankerplatz war nicht ohne, gegen den teilweise fünf knoten schnellen strom an. Hier in Aveiro sollte man unbedingt zu hochwasser oder niedrigwasser einlaufen. Der autopilot und der motor mussten echt kämpfen. Und dann kam da noch eine fähre von querab. Zuerst dachte ich: mist, und dann: hinterher. So ein autopilot ist was feines, die fähre fuhr quer aufgrund der strömung.
Ich weiß noch nicht, wie lange ich bleibe, das groß ist erstmal eingetütet. Für die fahrt nach Lissabon brauche ich noch drei tage und werde daher pause machen.
Die erste nacht habe ich gut überlebt, der anker hat gehalten. Die winddaten von gestern sind nicht gut. Draußen sollen es morgen acht windstärken geben, ich habe erstmal ein paar meter kette nachgelegt. Erst am Mi morgen kann ich hier weg und das würde eine punktlandung in Lisabon bedeuten.
Dumm ist auch, dass ich nicht an land komme, hätte ich mal vorher das schlauchboot getestet, jetzt ist zuviel wind, um es aufzupusten.
Was für eine nacht, wenn es draussen auf dem meer bläst, dann auch hier, einen kilometer entfernt. Es gibt hier keine wellen, doch das schiff zerrt an der kette. Um vier uhr wurde ich wach, um nach dem rechten zu sehen und dann passierte es auch schon: Das seil vom ankerhaken ist mit einem knall gerissen. Es war ein schon älteres geschlagenes seil. Den haken habe ich in weiser voraussicht an die kette gebunden, denn sonst wäre er auf tauchstation gegangen.
Mein windgenerator wird bei fünf windstärken leiser, aber danach kommt das geräusch einer propellermaschine auf der rollbahn. Später dann der start, und die steigerung, wenn die stuka kommt – dann ist echt reichlich wind.
An dem ankerplatz war ich drei tage, superlehmiger, grauer, matschiger untergrund, der anker hielt fest. Mit dem ablaufenden wasser bin ich um acht uhr los. Das erste mal, dass die gribdaten stimmten und sie waren drei tage alt. Müssen wohl erst liegen.
Draußen das groß hochgezogen, alles hastig, da viel welle. Irgendwas hat geklemmt oder ich weiß nicht, ganz hochgezogen habe ich es nicht, also gleich das erste reff hinein. Riesige dünung und wind von hinten, dabei fünf bis sechs knoten. Nicht schlecht. Der versuch, die genua dazuzunehmen, scheiterte. Also bin ich den ganzen tag mit dem gerefften groß gefahren, bullenstander fixiert.
Später nahm der wind leicht zu und es ging sechs bis sieben knoten durch’s wasser in richtung süden. Den ersten hafen habe ich links liegen gelassen, Figueira da Foz. Das ist der hafen mit dem tödlichen unfall.
Also zum nächsten, aber dabei habe ich mich verguckt, da es bis dorthin nicht zwanzig, sondern vierzig sm waren. Nach elf stunden bin ich dort angekommen, siebzig seemeilen auf der uhr. Nur vor dem hafen das groß zu bergen, war bei kräftigem wind und welle ein akt. Danach die hafeneinfahrt zu treffen mit der querwelle eine neue herausforderung.
Im vorhafen angekommen habe ich das anlegemanöver vorbereitet und dabei ist ein fender stiften gegangen. Also noch ein fender-über-bord manöver, einhand bei reichlich seitenwind gefahren. Nachdem der kerl wieder am schiff war, fing das anlegemanöver an. Mit starkem seitenwind und der aussensteg war frei. Mehrfach vorwärts und rückwärts und rantreiben lassen, nur ein großer kratzer ist entstanden.
Herunter gekommene marina, das ist steigerungsfähig. Dieser hafen sollte mal eine große nummer werden, in den siebzigern. Ich liege nun fest in Nazaré und gehe morgen zum anmelden.
Hallo Wolfgang!
Da scheints ja tlws. richtig zu rappeln! Seegang is zwar auf Fotos schwierig zu beurteilen, aber ich gehe mal 4m+x aus… Alle Achtung!
Danke für die Zahlen und Fakten zum Schiff! Meine Motu ist leider noch ein paar Jahre vom Zuwasserlassen entfernt, aber der Bau macht auch schon ‘ne Menge Spass…
Hört sich an, als hätte der Anton nicht übertrieben mit der Schilderung der Segeleigenschaften und der Seegängigkeit. Ich werde – wie schon bisher mit Spannung und Freude – deine Reise weiterverfolgen und “Daten sammeln” zum Segelverhalten der Motu Themroc…
Wenn Du “schräg” liegst, welche Krängung ist das so ca.?
Fair winds und gute Reise!
Christoph
Wenn man nicht überpowert, segelt man aufrecht, so wie A. es gesagt hat, also bis 20°.
Wenn man es übertreibt, kommt der kubikmeter wasser vorn aufs schiff und läuft über den süllrand ab, alles kontrolliert.
gruss Wolfgang