Warum nur das ganze?
Gefunden habe ich mein schiff in der eBucht und in einigen verkaufsbörsen. Das boot war 2008 noch als referenz auf der Anton Luft-webseite als „stark modifiziert“ betitelt worden. Irgendwann ist das das schiff dort verschwunden und Anton war schon vom sensemann geholt. Geblieben ist nur eine textpassage. Hier der o-ton:
“Eine Ausnahme davon sind jene Selbstbauer, die, obwohl von mir dazu aufgefordert, nach dem Kauf ihrer Baupläne nichts mehr von sich hören lassen. Obwohl ohne eigene Sach- und Fachkenntnisse, ändern sie doch eigenmächtig wichtige Details meiner Baupläne oder lassen manche auch ganz weg. Meine Bauanleitung wird nicht beachtet und meine kostenlose Bauberatung gar nicht in Anspruch genommen. Stattdessen suchen sie sich Rat in Internetforen, deren Beiträge von Laien oft allen Naturgesetzen oder selbst einfachstem, logischem Denkens widersprechen. Eher oder später wird solchen Zeitgenossen dann klar, dass sie “Bockmist” gebaut haben und so suchen sie sich einen Dummen, der ihnen ihren durch Unverstand und Besserwisserei verhunzten Bau wieder abkauft, wie es bei der Segelyacht “La Fenice” der Fall ist. Wer mich vor einem Kauf nicht kontaktiert, dem ist nicht zu helfen!”
Leider habe ich nach meinem erstkontakt den Anton nie wieder angemorst. Mich hat ein anderer selbstbauer auf die passage aufmerksam gemacht. Jedoch hatte ich den bockmist inzwischen schon selbst entdeckt.
Wie war das noch gleich?
-Jeden tag kommt einer am bahnhof an, man muss ihn nur finden.-
Ab sofort finde ich bahnfahren wieder sehr gefährlich.
Ich schreibe diese kapitel über mein durchgeführtes refit, damit interessierte anfänger und aktive schiffsbauer einen eindruck vom umfang bekommen. Zur unterhaltung für die besserwisser sind die punkte meiner durchgeführten methoden und der zu vermeidenden fehler. Und mit besserwissen kenn ich mich auch aus, ist mein zweiter vorname und hinterher erst recht. Dafür gebe ich den gut gemeinten hinweis: Man kann bei einem refit dieselben fehler wie ich noch einmal machen, um es auch selbst eine intensiv emotional zu erfahren, wie das ist – muss man aber nicht.
Bevor ich angefangen habe und während ich am basteln war, waren das WWW, diverse foren und andere bootsbauer, die zur gleichen zeit dasselbe erlebten, eine sehr grosse hilfe. Kommunikation ist für den angagierten hobbybauer die zweite hauptbeschäftigung, sie hilft.
Grundsätzliche erste warnung: Auf einem schiff sollte man eigentlich nie etwas anfassen. Nur nichts abschrauben oder demontieren, um es zu warten oder zu reparieren. Denn aus einer kleinigkeit wird meistens ein langfristiges projekt. Das gleiche gilt auch für ein refit, so wie ich es durchgeführt habe. Und das schon existierende maximale chaos ist immer noch zu toppen.
Mein geplantes refit sollte, wenn möglich, mit kleinem geld durchgeführt werden. Das fing bei der isolierung mit dem vorhandenen material an (anstatt es teuer zu entsorgen). Das ganze hat auch seine grenzen, spätestens dann, wenn die rechnung des wiederverwendungs-versuches vorliegt. Neukaufen ist oft billiger. Viele teile sind nicht aus dem teuren marinebereich, dem mit der abschöpfgarantie. Wenn die möglichkeit des selbstbauens mit begrenztem aufwand bestand, habe ich es bevorzugt. Neuteile habe ich gekauft in den bereichen, in denen ich die nächsten zehn jahre ruhe haben möchte. Im gegenzug habe ich sehr, sehr sehr viel private zeit und damit höhere real existierende liegekosten aufgewendet.
Ursprüngliche Idee
Die kurzform: kaufen, fertigstellen, lossegeln.
Mein ursprünglicher plan A: Nach den ersten überlegungen während der besichtung und nach dem kauf, wollte ich das schiff nur schnell fertigstellen, so dass es segeltüchtig und sicher ist. Mein ziel war es, nach maximal einem jahr zu segeln. Aber meistens kommt es anders und schlimmer als man denkt. Es wurden (bisher) fünf lange und teilweise intensive jahre.
Offensichtliche Mängel
Die offensichtlichen mängel vor, während und nach der besichtigung haben mich nicht gebremst. Hier hätten schon viele den stopschalter betätigt – ich leider nicht, da ich für fast alle probleme eine oder zwei lösungen wusste. Ausserdem hatte ich es mir handwerklich zugetraut, dieses projekt zu ende zu führen.
Inneneinrichtung verbessern
Die vorhandene einrichtung war zwar in gutem gepflegten zustand, ja sogar als fast neu zu bezeichnen. Nur die sehr hellen sperrholzverkleidungen aus birkenfunier mit sehr vielen leisten und dazu blau abgesetzten teilen zwickten mich arg im auge. Dazu kam, dass die eignerin versucht hatte, ihre weniger vorhandene künstlerische ader auf den schränken in farbe zu verewigen. Alle flächen ab einen halben quadratmeter wurde mit motiven bepinselt. Einfach eine freundliche farbe drüber und gut ist es, hatte ich gedacht. Das schiff hatte im innenbereich fünf verschiedene fussbodenebenen und dementsprechend viele stufen. Ein ständiges treppauf und ab.
Hier der blick von der achterkabine zum steuerstand in der schiffsmitte
Dusche ändern
Die in der ausstattungsliste angepriesene dusche entpuppte sich als verpopptes aluminiumblech, wassertiefe 40cm, mit dicken silikoneinlagen gegen den wasserverlust in der falz. Für zwerge reichte die stehhöhe von 145cm aus. Also nicht nur zu klein, sondern unbrauchbar, vielleicht war sie für nasse kleidung als offener schrank zu nutzen. Für den eigentlichen zweck war sie nicht dienlich. Also das ganze neu und an einer stelle, an der ich stehen kann.
Die sitzdusche auf der backbord seite vom niedergang aus
Elektroküche auf Gas ändern
Das energiekonzept des voreigner sah primär den landstrom innerhalb einer marina vor. Und im notfall wurde der benzin-jockel an deck angeworfen. Also nicht so ganz langfahrtauglich für mein ermessen. Das Konzept funktioniert nur mit einen richtigen eingebauten generator. Der zwei-platten elektroherd und der warmwasserboiler bekamen ein anderes zuhause. Die grünen aufputzsteckdosen mussten auch verschwinden. Die nirosta-arbeitsplatte war durch die benutzung der küche während der beiden sommerreisen mit dem holz verwachsen. Richtig lecker – würg würg – das wurde dementsprechend entsorgt.
Ein gasherd mit backofen war schon immer mein kochtraum und sollte es sein.
Küchenzeile auf der backbord seite auf masthöhe
Mast zusammen schweissen
Der mast war als gittermast in drei teilen fertig geschweisst worden. Die verbindungsbolzen und der mastkoker waren aus va-vollmateriel gedreht und mussten “nur noch” zusammen geschweisst werden. Die neue idee mit einem va-gittermast fand ich spannend, war für mich neu und fand meine begeisterung. Leider passten die verbindungsbolzen nicht in die rohre vom mast, wegen schweissverzug. Das hat mir der vorbesitzer bewusst verschwiegen.
Die genua sollte als rollsystem sein und ein grosssegel zum reffen sollte auf dem vorhandenen gitterbaum. Ein paar beschläge dazu und fertig. Naja, salinge sollten auch noch dran. Geht alles recht schnell, aber nur im kopf. Die salinge musste ich erst neu berechnen, die maße konnte ich aus einer skizze des vorbesitzers übernehmen.
Unterwasserschiff neu streichen
Schon bei der besichtigung fiel mir das rissige und stellenweise abgeplatzte hartantifouling auf. Auch die kielsohle war nicht mehr von farbe bedeckt. Ursächlich waren die während der Belgienreise streckenweise zu flachen kanäle. Hebel auf den tisch und durch, bei gleichzeitigem farbverlust. Meine gedanken: alte farbe runter und neuen farbaufbau auftragen, alles mal kurz machbar.
Systeme ergänzen
Das nicht vorhandene bemerkte ich recht spät. Ich hatte etwas von einer bilgenpumpe in der ausstattungsliste gelesen. Diese hatte aber wohl einen anderen weg, zusammen mit dem aufgelisteten backofen, genommen. Das schiff war also zwei jahre ohne ein installiertes lenzsystem durch die kanäle und übers offene meer geschippert. Recht mutig. Also ein paar schläuche, pumpen und absperrhähne kaufen, und an dem freien bordauslass anschliessen. Dieser ist glücklicherweise vorhanden. Dauert auch ein wenig, geht aber.
Handläufe
Wenn ein schiff an land steht, wankt es selten, somit besteht auch kein bedürfnis, sich fest zu halten. Auf see sieht das dann schon ganz anders aus: eine hand für dich und eine fürs schiff. Aufgrund der besichtigungsumstände sind mir die fehlenden handläufe auf dem cockpitdach und auf der achterkabine nicht aufgefallen.
Ankerkasten neu
Da stand im bug ein rechteckiges holzgestell mit gummimatten ausgekleidet, von einem plastikvorhang verdeckt und mit der ankerkette in der mitte, ganz schick. Die wände um die luke herum waren auch mit gummimatten verkleidet, ein kleines verstecktes SM-studio. Der kasten war nach oben hin offen – kein ablauf, zumindest kein geregelter, halt nur durch die ritzen. Das wasser sammelte sich dann zwei meter weiter hinten, vor dem mast in der tiefe, ein ideales revier für rost, da dort das faulige wasser stand. Durch eine fehlendende raumtrennung war der ganze kettenbereich im lebensbereich von küche, sitzen und leben. Das sollte sich unbedingt ändern.
Anker-verschlag mit liegemöglichkeit
Damit fing auch schon die abweichung vom planerfüllungssoll an. Durch die demontage des kastens, der mit etlichen balken und latten mit den verschraubten aufnahmepunkten an den spanten und im boden verbunden war, legte ich auch die vorhandene isolierung frei. Diese freute sich so sehr, dass sie mir entgegenkam. Mein hals wurde dicker. Ich hatte gedacht, es gibt eine saubere, mit dem rumpf verbundene und luftdichte isolierung – war aber nicht so. Somit habe ich richtung bug weiter untersucht, wie die isolierung dort aussah.
Und siehe da, es war kein einzelfall, sondern die regel. Halbherzig zwischen den spanten verklemmtes styrodur, die zweite schicht mit abstand drüber und bei vielen stössen nur mit alu-klebeband zusammen geklebt. Die luft konnte sich, aufgrund der fehlenden dampfsperre, regelmässig an der aussenwand von feuchtigkeit befreien. So gab es dort auch teilweise rost. Na danke. Ab da wurde mir klar, dass sich die geschilderten handwerklichen leistungen und das können des vorbesitzers von der ausführung diametral unterschieden.
Somit musste mein planA durch planB ersetzt werden. Ich muss am Bug anfangen und sich sukzessiv nach Achtern durcharbeiten. Kurzfriste geistige kurzschlusspläne im themenbereich anwalt, russisches direktinkasso oder einen cleaner habe ich fallen gelassen. Ich hatte mich entschieden, die baustelle zu kaufen, wurde dabei kräftig verarscht und musste da jetzt mit ausdauer durch.
Versteckte Mängel
Da ich ein schifferstbesitzer bin, sind mir die vielen anderen baustellen nicht aufgefallen. Hier nun die wichtigsten versteckten mängel.
Isolierung fällt von der Decke
Die isolierung an der decke hatte das gravitationsproblem: sobald die holzverkleidung und ein paar aluklebestreifen entfernt wurden, rückten die losen styrodurplatten zur erdmitte. Dieser lockere materieverbund blockierte auch kein suppensud oder bratenfett, welches sich an der decke kondensierte. Da gab es wohl jeden tag auf der reise fleisch und kurzgebratenes. Aber leider nicht: „Brat fettlos mit Salamo Bratfett ohne“. Richtig lecker sahen die kondensierten fettropfen aus. Dazu kamen noch kleinere schimmelkulturen in schwarz. Absolut ekelig und ungesund auf dauer.
Bohrmehl und Rost
Die kabelkanäle der stromverteilung verliefen alle an der decke, nicht vom styrodor isoliert und direkt in den t-träger geschraubt. Der taupunkt war meistens genau dort, die verzinkten schrauben waren nach zwei jahren schon so fest, dass diese bei der demontage abrissen. Und auch hier zeigte sich: decken lassen sich schlechter mit farbe streichen, und je mehr feuchtigkeit, desto mehr rost. Die löcher für die holzaufnahmen der wand- und deckenverkleidungen wurden erst nach der isolierung in die stahlspanten gebohrt. Die späne waren noch dort, meistens als verrosteter klumpen.
Wasser im Schiff
In den ersten wochen bemerkte ich immer häufiger tropfende geschlossene öffnungen. Die selbstgebauten decksluken waren nicht dicht. Dito die vordere luke beim anker. Also erst mal eine plane drüber. Somit gab es auch eine erklärung für den gefundenen luftentfeuchter, der wohl kurz vor meiner besichtigung unauffällig platziert wurde und von mir als blindem nicht bemerkt wurde. Das schiebeluk aus teak wurde zusehends inkontinenter und der höhepunkt waren die cockpitscheiben des aufbaus nach vorn. Als ich mich im mai 2008 zur schiffsmitte vorgearbeitet hatte, schwamm die wandisolierung zwischen den spanten auf, überschüssigen wasser lief einen querspannt weiter nach unten.
Ich demontierte nicht zerstörungsfrei die fensterverkleidungen und zu tage kam der grösste pfusch im schiff. Die v4a-fensterrahmen waren verkehrt herum eingeschweisst worden. Die 24mm starken sicherheitsglascheiben sollten eigentlich im rahmen liegen, ging so aber nicht. Somit hat der vorbesitzer die glasscheiben von innen mit sikflex, sanitärsilikon und bauschaum versucht anzukleben. Wie lange die 15kg schweren scheiben da gehalten hätten, möchte ich mir bei windstärke 8 und einer see über deck nicht ausmalen. Schon bei normalem landregen suchte sich das wasser seinen weg ins innere.
Der abwassersammler lief unbemerkt über und in den motorraum. Da ich für den winter das wasser aus dem mortor ablassen musste, schwammen danach die baustoffreste noch ein wenig höher in der bilge. Im bereich des wassertanks hinter dem mast stand das wasser auch knöcheltief, ich vermutete die cockpitfenster als quelle.
Wasserlinie
Nachdem ich auch die baupläne für das schiff erhalten hatte, konnte ich den bauplan mit dem realen objekt vergleichen. Es waren viele sonderpläne und wunschänderungen, mit komentaren vom konstukteur, dabei. Zusätzlich wollte der eigner günstig bauen, und so verwendete er auch mal material, das vorhanden war. Meistens war es überdimensioniert. Da wurden dann va-rohre verbaut, die es nur in längen von 6m zu kaufen gab. Somit ist der mast im schiff, die speigattrohre im cockpit, der steuerstand und andere kleinteile, alle in 10cm v4a-rohr gebaut. Ein blech in der achterkabine ist in 5mm statt 3mm gebaut worden. Der 4l Perkinsmotor ist von den werten her super, leider wiegt der mit getriebe locker 600kg. So kommt das eine kg zum anderen. Die wasserlinie konnte ich anhand der abgeblätterten farbe ausfindig machen. Der ganze eimer hängt jetzt schon deutlich zu tief mit dem arsch im wasser. Da muss dringend etwas geschehen.
Rost im Wassertank
Der soooo gelobte va-wassertank entpuppte sich wieder einmal als gewollt und nicht gekonnt. Da wurde mit unkoscherem werkzeug gearbeitet, geschweisst und nicht gebeizt – mit dem erfolg, dass es schon stellenweise rost im innern gibt. Vielleicht kann ich das noch retten.
Soviel zur einstimmung auf das thema.