Es ist wohl eine deutsche eigenschaft, die wir haben. Im englischem gibt es keine begrifflichkeit für die schadensfreude. Ein alleinstellungsmerkmal. Der kleine katamaran, der hier angekommen ist, mit zwei personen an bord, hat es nicht geschafft ohne fremde hilfe an einer mooring fest zu machen. Beim zweiten versuch haben sie ihren bootshaken verloren. Man kann kein boot mit diesem werkzeug fest halten. Das habe ich schon vor sieben jahren in Lissabon erfahren. Damals war die strömung sehr stark und ich verlor den ersten bootshaken. Vielleicht haben die boote um mich herum auch eine art von schadensfreude empfunden, es wäre gerecht. Dabei kann ein katamaran auf der stelle stehen und drehen. Nur es war ein amipärchen, sie können es halt nicht.
Das warten auf meine ersatzteile macht mich mürbe. Jeder tag sieht gleich aus, es ändert sich wenig. Vielleicht kommen sie mit dem nächsten schiff. Was sich ändert ist das meer. Heute war wieder einmal reichskristallnacht, und ich bin aufgewacht mitten in der nacht. Ich sass im cockpit für mehrere stunden und es gab glattes wasser. Keine wellen, kein wind, einfach nur ruhe.
Aber das ist die ruhe vor dem sturm. Es kann hier anders sein, aber nicht über dreizig knoten wind, also moderat. Die moorings haben sich von den schiffen befreit, meine art von ruhe. Wenn die boote ankommen sind die menschen unruhig, aktiv, wollen alles und sofort. Die ruhe ist beruhigend und gleichzeitig wachsam.
Mitte November und wieder ist alles leer. Das schöne daran ist, dass die yankees abgereist sind. Sie sind in meiner auffassung ein ärgernis. Breitbeinig und wollen im zentrum stehen, dabei sind sie laut und mit der sozialen situation überfordert. Sie bringen geld und das ist es.
Wie ging es weiter mit dem kleine katamaran. Es liegen hier viele bootshaken auf dem meeresgrund. Es werden nicht die letzten sein. Dann haben sie beim hafenmeister um hilfe gebettelt und die fähre kam vorbei. Hier liegen boote seit langer zeit und sie schaffen es als einhandsegler selbst sich zu verlegen.
Das problem mit dem kleinen Leopard war zusätzlich, als sie gestern im dunkeln wieder ablegten, waren die navigationslichter offentsichtlich vertauscht und ich glaube nicht, dass sie rückwärts gefahren sind, halt unterbelichtete yankees. Ich finde diese schwimmende tupperware mit dem hundehaus auf dem dach hässlich.
Weiter im leben auf dieser insel. Den begriff lebensmittel zu lieben ist hier nicht angekommen. Sie kippen die früchte einfach in den nächsten karton um. Druckstellen sorgen für ein verderben in zwei tagen. Wenn ich die verkäuferinnen auf die ameisen in den äpfeln aufmerksam mache, dann sagen sie, die sind doch überall. Sie können es hier nicht, wie die einkaufsgenossenschaft der kolonialwarenhändler sein slogan entwickelte.
Der frühling auf der nordhalbkugel ist etwas anders als hier. Es wird hier zwar wärmer, aber auch brauner. Der schöne grüne wasserfall wird auch braun, die vegetation trocknet aus. Dafür habe ich die ersten goldmakrelen um das schiff schleichen sehen.
Am Montag der einundzwanzigste war ich zu einer kleinen wanderung wieder von Ruperts unterwegs. Die Helena, das versorgungsschiff, ist am pier und die schiffsbewegungen sind ineffizient.
Das alte us-landungsboot mit seinen zwei alten detroit zweitakt diesel bekommt für jede tour neunzig pfund. Aber es fährt leer wieder zum containerschiff zurück. Alles kostet und deshalb sind die lebensmittel hier grenzpreisig. Bisher konnte mir keiner sagen, wie viel diesel das boot verschnabbelt, nur es soll eine menge sein. Dazu kommt, dass der rumpf mit fünf zentimeter seepocken bewachsen ist.
Das areal für die container in Ruperts ist noch immer nicht fertig. Das gleiche gilt für das glasfaserkabel nach Südafrika.
Das alles treibt die kosten in die höhe und diesmal sind es hundert container, die entladen werden. Das landungsboot kann zwei transportieren, der geflickte ponton drei, dafür mit einem angeflanschtem motor, der auch die steuerung ist, auch hier ist der verbrauch sehr hoch.
Die wanderung war anstrengend, das sitzen auf meinem schiff kostet muskeln. Der erwartete muskelkater blieb aber fast aus. Der weg über den hügel war nicht ohne, viel kleines geröll und das ist rutschig bergab. Ich habe überlebt ohne schaden ausser einem leicht sonnenbrand.
Von dort aus konnte ich auch gut die leiter mit den fast siebenhundert stufen sehen. Sie wird seit zwei monaten renoviert, das kann also dauern. Die betonautobahn an der ostseite von Jamestown ist schon seit Mai in der überarbeitung, seit Mai letzten jahres, die uhren gehen hier anders. Auch gab es einen guten blick zum schiff, rechts aussen.
In einem monat ist wieder weihnachten und es klang so, als ob es schon heute wäre. Der aushilfsfährmann hat mich aus dem schlaf gerissen und sagte, dass meine teile angekommen seien. Doch es war nur die information, das sie sich noch bewegen. Sie haben jetzt inzwischen die dritte identität angenommen und gehen den normalen weg, auch das kann dauern.
Dafür gab es noch viele frische früchte, obwohl das versorgungsschiff überfällig war. Nun habe ich wieder zitronen, grapefruits, nektarinen, einen pfirsich und keewis. Im laden gab es dann noch einen karton mit gurken, für umsonst. Diese haben die reise nicht unmatschig überlebt und ich werde sie wohl auch entsorgen müssen.
Die hoffnung stirbt zu letzt.
Der letzte Sonntag im November und ich habe den ersten tintenfisch gefangen. Oder vielmehr mein boot. Zehn zentimeter lang und er wollte vor den räubern fliehen. Heute mittag habe ich die vertrockneten reste beseitigt. Es kann nicht alles gelingen.
Ich hatte das thema schon vor ein paar monaten, aber heute ist es heftig. Hier rollt eine dünung an, ungewöhnlich für diese insel. Die letzten tage gab es ordentlich wind, die batterien sind voll und der windgenerator wurde oft abgeschaltet. Nun kommen die wellen an, so um einen meter fünfzig. Das klingt nach nichts, ist hier aber sehr hoch. Die tide beträgt nur einen halben meter. Doch diese wellen sind so um hundert meter lang, teilweise konnte ich den grossbaum vom blauen segelsschiff nicht sehen. Und wenn die wasserwand auf den felsen kommt, wird es laut. Die seevögel mit ihrem geschrei sind nicht mehr zu hören. Wind und see gibt es seit tagen, irgendwann ist auch wieder ruhe. In den letzten wochen bin ich in der nacht aufgestanden und sass im cockpit, ringsum war ein flacher teich.
Das war ja noch gar nichts. Am späten nachmittag wurde es noch wilder, ab und zu zwei meter wellen. Die abgewaschenen algen von den felsen bildeten nur einen teppich. Ein paar stunden später gab es eine braun grüne zone, die am abend auch mein schiff umschloss. Das sediment der abwaschung breitet sich aus. Jetzt sind es über zweihundert meter und ich kann es im pumpvorgang meines wc sehen.
Was aber riesig war, bis zu zwanzig meter hohe spritzend gischt.
Das hat diese insel seit fünfzehn millionen jahren erlebt. In diesen zeitraum gab einhundertfünfzig eiszeiten. Wir denken zu kurz, der klimawandel kommt und geht und er ist nicht von menschen gemacht. Aber wir können das ganze verschlimmbessern und beschleunigen. Wir sind auf dem besten weg.
Ein zitat: wir sind nur wesen des übergangs. Wer was dazu zu sagen hat, darf sich melden.