Ein vertaner Sonntag und es sollte so schön sein. Ich hatte einen zugangscode für das wifi gefunden, der fette katamaran war schon weg und den zettel hat er liegengelassen. Nur war das netz an diesen tag überlastet. Der versuch, den letzten bericht und die bilder hochzuladen, wurde mehrfach abgebrochen. Eine stunde umsonst oder sechs pfund sechzig.
Der tagesordnungspunkt nummer zwei war wieder die leiter, siebenhundert stufen minus einer. Das ging diesmal wesentlich besser. Zum anfang ging es in hunderter einheiten, dann fünfundsiebziger und zum schluss in fünfzigern. Aber oben angekommen hatte das restaurant schon wieder geschlossen, oder immer noch. Ich glaube, ein drittes mal gebe ich mir das nicht.
Insgesamt habe ich über zwei stunden onlinezeit für den letzten bericht verplempert. Das nervt mich sehr, und sie bauen immer noch am fieberglaskabelprojekt. Das kabel steht oder liegt schon, nur die gebäude müssen noch entstehen. Nicht dass man beides hätte gleichzeitig anfangen können. Das ganze ist in Rupertsbay, dort kommt auch der diesel für das inselkraftwerk an.
Dann gab es auch mal wieder natur am schiff. Ein riesiger rochen in den farben grün-gelblich schwamm langsam am schiff vorbei und auf das nächste zu. Er hatte zwei meter spannweite. Der fotoapparat war leider nicht griffbereit, wie immer wenn es wichtig ist.
Die ersatzteile sind in sicht oder besser in der nähe des findbaren. Für mein altes furuno gps werden traumquoten aufgerufen, dabei handelt es sich um abgelaufene elektronik. Kontrollierte obsoleszenz. Auch sind schon neue alte rechner als ersatz für die abgerauchten gefunden und das dichtungsset ist auf dem weg. Auf dem ersten nach Europa. Dann kommt die kür, ein optimiertes paket nach St. Helena zu versenden.
Man muss nur mit den menschen hier schnacken und schon ergeben sich neue möglichkeiten. Somit habe ich einen motorradverleiher gefunden, er heisst Coco und ist im anderen beruf feuerwehrmann. Das ganze für sieben pfund am tag, mal drüber nachdenken.
Der treppenaufstieg vom Sonntag ergab keinen muskelkater und so ging der esel aufs eis. Ein spontaner ausflug nach Rupertsbay, ein paar häuser und der anlandepier für das versorgungsschiff. Der freundliche fährman hat mich dort abgesetzt. Mit dem boot drei minuten entfernt und dann hat er mir kurz erklärt, wo der weg ist, um nach Jamestown zurückzukommen.
Der pier wurde mit freundlicher unterstützung der EU finanziert, so auch das glasfaserkabel zur insel. Gerade noch rechtzeitig vor dem austritt, vielen dank und tschüss, sagten die Briten. Tschüss sagten auch einige schiffsbesitzer und nun stehen die schiffe hier herum.
Ich weiss noch nicht, wer diese wege in den berg gegraben hat, ich tippe mal auf die tausende gefangener Buren aus dem Südafrikakrieg oder davor die billigen sklaven aus Afrika. Da hat die englische krone einfach das gold der Buren geklaut, heute sind es öl, kupfer und andere rohstoffe. Die insel gehörte mal den Portugiesen und schwubs.
Der weg war gut zu erkennen, mein schuhwerk grenzwertig, nur die stadttreter. Auf dem rücken wie immer mein schlepptop und kein wasser dabei.
Drei häuser weiter auf dem berg und schon war ich in Mundens, ein alter armeestützpunkt. Die garnison hat um neunzehnhundertundsieben die insel verlassen. Danach kam noch eine auffrischung für den ersten und zweiten angeleierten krieg. Zeitlich ist die stellung, wie auch das fort hill ladder, anfang achtzehnhundert entstanden. Die kanone, die hier so achtlos in der landschaft liegt, stammt aus der zeit von achtzehnachtzig. Die anderen liegen unten im meer. Dass man damals noch vorderlader gebaut hat, wundert mich. Im museum werden bilder vom transport auf den berg gezeigt. Hundert soldaten zogen das sieben und zwölf tonnen schwere teil wie die Ägypter. Zuerst durch die halbe stadt, dann den berg hinauf, knochenarbeit. Aber sie durften auf befehl ihre wolljacken ausziehen.
Der transport der kanone bis hinauf zur stellung. Diese bilder sind durch die freundliche unterstützung des museum in Jamestown möglich geworden.
Der abstieg war dann wieder einfach, ein landrover könnte dort auch fahren. Hier hat der begriff maschendrahtzaun eine andere dimension. Der ganze berghang zum pier in Jamestown ist abgespannt. In der mitte verläuft die schmale straße auf der die kanonen transportiert wurden.
Ein mittwochsausflug, um mal zu sehen, wie der kriegsverbrecher vor zweihundert jahren hier wohl gelebt hat. Zuerst lebte er im pavillion in Briars, das liegt oberhalb von Jamestown. Später ist er dann nach Longwood umgezogen. Das häuschen war auch nicht gerade klein. Mit personal und champagner ließ es sich dort gut leben. Auch ist die landschaft grün und das klima angenehmer als unten im tal.
Ich bin den berg natürlich nicht hinaufgelaufen, der bus kostet ein pfund fünfzig, die serpentinen sind eng und der fahrer musste oft zurücksetzen. Die überraschung war groß, wälder, wiesen mit kühen und weniger hitze durch den frischen wind. Ich musste mir ja auch gerade einen besonders heißen tag aussuchen, die inselbewohner stöhnten schon. Die über sieben meilen zurück waren nach drei stunden auch machbar. Der muskelkater entwickelt sich gerade.
Der alte laden war sicherlich auch schon zu napoleonszeiten dort. Sein grab oder mausoleum habe ich mir dann nicht mehr gegeben, es war zu heiß und der weg wurde immer länger. Ein blick in der ferne auf den flughafen, ein dreihundert millionengrab mit freundlicher unterstützung der EU. Davor ein blick in das andere tal, landwirtschaft. Und dann in der mitte der strecke ein blick auf ein weiteres fort, riesig und oben auf dem berg. Von Jamestown aus ist es nicht zu sehen.
Es wurde anfang achtzehnhundert als fake gebaut. Wenn man die insel vom horizont aus betrachtet, kann man die festung gut sehen. Sie war zur damaligen zeit mächtig und der potenzielle angreifer wusste, oder glaubte zu wissen, dass es kein spaziergang werden würde.
Mein erster eindruck der lebensmittelläden ist nicht mehr haltbar. Es gibt hier viele kleine geschäfte, auch kombinationen lebensmittel mit baumarkt. Diversität, um an kunden zu kommen. Und dann gibt es noch den platzhirschen, Solomon&Co PLC, gegründet vor achtzehnhundert. Er betreibt den supermarkt mit dem frischen brot, einen diy laden, ein möbelgeschäft und die tankstelle am ort. Zusätzlich hat er noch das gasflaschenfüllgeschäft, und am hafen spielt er mit diesellieferungen, sowie material und reparaturen. Auch ist er der importeur für die frischwaren, alle ordern bei dieser firma.
Nicht nur dass diese insel das teuerste wifi hat, sechs pfund sechzig in der stunde. Sie hat auf einen stromtarif, der sich sehen lassen kann. Nicht wegen dem klimawandel durch menschenhand gemacht und einer bepreisung von co2 und einer erneuerbareenergienumlage. Fünfzig pence für die kilowattstunde, also sechzig cent. Daher sind auch tiefkühlwaren so teuer. Nebenbei sind kühlschränke hier günstig, man will ja den strom auch verkaufen.
Dann fiel mir das buch in die hände und ich stellte fest, dass ich nicht so viel falsch gemacht habe in den letzten zehn jahren.
Um nicht schon wieder mit dem thema halb voll oder leer anzufangen: nicht einmal halb voll. Auf der insel kann man seine gasflaschen beim monopolisten füllen lassen, das ist gut. Der preis pro kilogramm ist drei pfund siebzig, das ist heftig. Man gibt sie am hafen ab, geht zur tankstelle und sagt, dass man gerne eine füllung bekommen möchte. Am Dienstag wird die flasche abgeholt, über die insel gekarrt und am Donnerstag kann wieder zur tankstelle gehen und bezahlen. Die letzten zweihundert meter muss man sie am hafen wieder tragen. Warum habe ich neun kilogramm dick und fett auf die flasche geschrieben. Weil sie sicherlich nicht die bedruckte beschreibung lesen. Die profis haben nur drei komma acht kilogramm dort hinein gefüllt. Oder habe ich das falsch verstanden. Somit ist die flasche nun nur zu fünf zwölftel voll, das ganze für vierzehn pfund plus zwei servicegebühren zu je drei, macht zwanzig. Und das ist heftig teuer.
Und dann gibt es hier ein mysterium. Als das versorgungsschiff vor einer woche ankam, habe ich einen offenen container mit ungefähr fünfhundert frischen ananas gesehen. Nur irgendwie sind die kaum in den handel gekommen. Zwei leere kartons habe ich gefunden und in keinem anderen laden gibt es welche. Somit muss ich hier schon wieder umlernen. Wenn ich etwas sehe, dann muss ich es sofort kaufen, morgen ist es zu spät. Da haben die ossis doch einen erheblichen vorteil, sie wurden so sozialisiert und ich meine das freundlich, sie können das halt besser.
Über andere Sonntage habe ich gemeckert und gestern war es ein guter. Zum einen ist mein paket mit den ersatzteilen auf den weg gegangen. Wie lange es dauert, man wird sehen.
Dann war mein wifi restaurant offen, es ist angenehmer, wenn jemand vor ort ist. Das netz war schnell und es ist die regel, sofort über den anmeldebildschirm sich wieder ausloggen, wenn die mails herunter geladen worden sind. Sonst läuft die bezahlte zeit weiter. Ich bemerkte aber, dass ich weiterhin online war, obwohl ich mich abgemeldet hatte. Also surfen was das zeug hält und die bilder für diesen bericht habe ich auch schon mal zur hälfte hochgeladen und editiert. Nur gewisse seiten aus Russland sind noch immer nicht zu erreichen, westliche zensur halt.
Am abend gab es dann noch ein ereignis. Mein mooringnachbar, deutscher mit seiner ukrainischen freundin und deren sohn kamen vorbei. Sie sind freundlich und hilfsbereit und boten mir ein paar lobster an. Ich glaube, für umsonst, denn sie hatten fünfzehn stück gefangen. Jetzt kommt das problem, denn ich kann diese tiere nicht mehr töten, aber sollte das gefälligst selbst erledigen. Ich hätte einfach sagen sollen, gib mir zwei weibchen und ein männchen. Somit hätte ich sie retten können. Die nächsten tage werden vegetarisch, aber tot hätte ich sie schon gern genommen.
Somit kommen wir zu meiner neuen aktuellen idee. Wer tiere essen will, muss einen tötungsfähigkeitsnachweis erbringen. Eine woche im schlachthof arbeiten, metzeln, keulen, morden, jeweils für rind, schwein und geflügel. Das macht also drei wochen volontariat. Danach darf man wieder beim lokalen schlachter kaufen, mit der vorlage des scheines. Klingt irgendwie nach bockschein, aber das ist ein ganz anderes kapitel.
Da habe ich mich wohl wieder zu früh gefreut. Ich hatte mich ausgeloggt und die zeit lief trotzdem weiter, nur ein kleiner bug zugunsten des betreibers. Also mein guthaben von einer stunde wurde mal eben abgesaugt, schwups. Wenigstens konnte ich die bilder hochladen, ein trost.
Und jeden tag, den ich mit der fähre mache, sehe die alte laterne am pier. Dieser hat sich in den letzten hundertvierzig jahren ein wenig geändert, aber sie steht noch. Auch wenn sie jetzt tiefer im beton gefangen ist. Auch ist der beleuchtungkörper nicht mehr vorhanden, aber sie war zeuge bei der entladung der kanonen.
Die zeit vergeht hier ziemlich langsam, abwechslung ist rar. Alle zwei tage fahre ich an land, internet und einkaufen. Kulinarisch ist es auch weit ab vom schuss. Ich habe beschlossen, keine fischstäbchen mehr zu essen, die sind nicht mehr lecker und der glückliche geschmack der kindheit ist auch vorbei. Auch habe ich hier im tk-bereich gefüllte halbmondteigtaschen gefunden. War auch mal ein renner vor fünfzig jahren, schmeckt mir auch nicht mehr. Pizza geht noch, nur diesmal war keine im transport.
Vor ein paar tagen habe ich an deck das endstück des windex, der manuellen windanzeige, gefunden. Ich tippe mal auf einen vogelschaden. Also rauf auf den mast und den rest bergen. Dabei fiel mir auch das lockere windmessinstrument auf, ist jetzt mit kabelbinder gesichert. Das kleben des endstückes war schwieriger. Viele der klebstoffe an bord haben ihre halbwertzeit schon vor jahren überschritten und wurden jetzt entsorgt. Zum glück geht meine heißklebepistole noch und genügend plastikstäbchen habe ich auch. Das ganze hält hoffentlich noch bis Europa.
Eine neue woche, noch sieben tage bis das carepaket landet. Es wird zeit, dass ich mich um meinen steuerzylinder kümmere. Der typ, der das teil reparieren wollte, heißt Adrian. Ich wurde zu spät gewarnt, er ist unzuverlässig. Seine werkstatt ist in Ruperts und so hat mich der freundliche fährmann wieder dort abgesetzt. Diesmal hat er mir auch beschrieben, wo sich die werkstatt befindet. Nur dort angekommen sieht es leer aus. Das dach ist abgetragen und der rest wird auch gerade geräumt. Vom angelernten mechaniker keine spur, vielleicht kommt er morgen vorbei. Beim abbruchteam habe ich eine nachricht hinterlassen. Mein aufenthalt auf der insel könnte sich als längfristig entpuppen.
Der rückweg ist mir bekannt und diesmal habe ich entsprechendes schuhwerk und eine flasche wasser dabei. Der erste stop war an der biegung, an der die kanone ein paar meter geliftet wurde. Der schweiß von damals hängt immer noch in der luft, oder ich stehe falsch zum wind.
Danach habe ich mir Mundens angeschaut und zuerst fielen mir die latrinen ins auge. Das abgangrohr zur klippe ist noch immer stabil. Zwei an der zahl und das foto entstand aus dem eingang zur küche. Wenn also die schlange zu den klohäuschen zu lang wurde, wusste der koch, dass was in seiner arbeit schief gelaufen ist.
Als nächstes habe ich diese beiden puzzleteile gefunden. Irgendwie mussten die kanonen auch gelagert werden. Als der letzte hier das licht ausmachte, flogen die eisenteile einfach die klippe herunter. Das wird dauern, ein paar hundert jahre bis sie sich im meer zerlegt haben werden.
Eigentlich bin ich bereit fürs ablegen, die tanks für diesel (scheiße teuer) und wasser sind gefüllt, aber…
Diesmal wieder ein ende mit cliffhanger. Wenn das paket ankommt und ich meinen steuerzylinder wieder in besitz nehmen kann, ist es gut. Dann kommt nur noch eine kurze nachricht der abreise. Oder das glas ist halb leer und ich muss erstmal weiter hier bleiben.