Box ohne Ende

Zehn tage bin ich schon an land und sehr genervt. Dabei sollte ich im urlaubsmodus sein, mache mir aber selber den stress. Ich denke, mir läuft die zeit davon, abgesehen vom geld, das man mir hier ungeniert intensiv aus der tasche zieht.
Heute am So habe ich mal einen halben ruhetag eingelegt, nur ein wenig farbe auf die stellen von gestern, seile angetüdelt und einen ausschalter für meinen nervigen navigationsfehlerpieper eingebaut.

Die fehlenden liter benzin aus dem backskistenunfall habe ich auch gefunden, im überlauftank vom duschsumpf. Schön, wenn etwas ausgedachtes funktioniert. Nun sitze ich in der plicht im bezindunst, da ich ja alle tage mal die lenzpumpen laufen lassen wollte, und dazu gehört auch die manuelle pumpe für den überlauftank.

Der ausflug heute hat mich an beide enden des hiesigen badeorts geführt – es ist nicht mein platz. Strand an beiden enden, dazwischen felsen und eine straße der kategorie vier, also der lochanteil ist noch nicht über die hälfte. Der busterminal hat schon bessere zeiten gesehen, aber heute war er gut besucht.

Was es hier nicht zu sehen gibt, sind gleichgeschlechtliche paare, oder sie verheimlichen es sehr. Dafür sieht man viele körper in badebekleidung oder ähnlichem herumwandern in allen alterskategorien und das will ich nicht sehen. Der laufsteg ist nur fünf meter von meinem schiff entfernt, da beobachte ich viel.

Die arbeitswoche beginnt wieder und noch immer keine farbe gekauft. Ich habe das heute mal selbst in die hand genommen, kontakt mit Jotun aufgenommen, und siehe da: sie können auch englisch schreiben, das reicht. Die gebindegrößen sind hier andere als in europa, meistens zwanzig liter, außer beim antifouling. Somit werde ich mal locker siebenhundertfünfzig geldeinheiten los, nur für farbe, verdünner und antifouling. Dazu kommen noch der transport oder eine busreise mit geschätzten sechzig kilogramm gepäck auf meiner faltkarre, mal sehen.

Währenddessen habe ich heute die opferanoden mit den passenden bohrungen versehen, und einen tankdeckel für meine blechkanister mit anschlüssen, damit meine standheizung auch daraus den sprit schlürfen kann.
Nach dem zweiten regen ist das projekt ladebaum fertig geworden. Ich muss mein schlauchboot mit motor allein von und an deck bringen können. Der alte versuch hat sich ja im halbkreis verbogen. Somit wird nun das letzte stück vom ehemaligen gitterbaum verwendet.

20170116 ladebaum

 

20170116 ladebaum

 

20170116 ladebaum

 

Der zweite tag der woche und schon fast die farbe bestellt, fehlt nur noch das geld und eine überweisung an den farbdealer. Der transport ist wohl doch nicht so heftig, so dass ich mir den ausflug nach Montevideo klemme. Außerdem können die die farbe zum schiff bringen, keine weiteren schleppereien.
Somit habe ich weitere punkte bearbeitet, wie zum beispiel mein letztes teaköl verstrichen, den tisch im bugbereich nach vier jahren mit einer fixierung versehen. Ein wenig bohren, schrauben, sägen, feilen und so weiter.
So vergeht auch der tag und zwischendurch den rechner an, mails abrufen, mit dem händler kommunizieren. Dann habe ich doch beschlossen, wenn die farbe da ist, das schiff unter dem kiel zu streichen. Dafür muss das schiff angehoben und die drei bohlen versetzt werden. Da die zehn baumstämme auf neu platziert werden müssen, ist das ein abwasch, so meine denke.

Wie dick kann scheiße sein, ich bin so sehr genervt, auch von meinen fehlentscheidungen. Hier gibt es zahlungsmöglichkeiten, um den menschen schneller das geld abzugraben. Ein bargeldverbot würde zum wirtschaftlichen stillstand führen. Meine versuche, mit Abitab geld an Jotun, oder an den salesman zu übertragen, lief fast. Ich war nur der fünfzehnte in der schlange und nach einer halbe stunde ging das paypal für arme ohne konto los. Alle daten hatte ich nur keine kohle, denn die sollte von der kreditkarte kommen. Nur damit war nichts, nur cash. Und ende, dicker hals.
Wenn ich mein kleines kreditkartenmonatslimit ausnutze, kann ich nichts mehr essen. Geldüberweisungen sind limitiert und ich idiot habe meine goldene kreditkarte gekündigt. Einfach aus dem grund, sie war für die kontoeröffnung jahrelang kostenfrei und nun wollten die dreißig euro von mir. Dafür, dass sich die manager noch mit dieser neuen gebühr den pencil vergolden können.

Heute ist Mi und ein vielleicht erfolgreicher tag. Ich habe in den letzten zwei tagen meine homebase sehr gestresst, ohne wäre ich aufgeschmissen, und mich um das doppelte. Man kann mit WU nur eintausend euro im jahr überweisen oder man muss sich registrieren und das hat eine sperre von drei tagen zur folge, die die dann durchzuführende identitätsprüfung dauert!
Mein farbendealer möchte dollar sehen, das bedeutet hier, ich bekomme pesos per WU mit einer gebühr und einer umtauschgebühr, dann tausche ich die wertlosen pesos in die wertlosen dollar und bezahle noch eine gebühr. Mit diesem klopapier gehe ich zu einen Abitab schalter und überweise dieses papier zum farbdealer mit einer heftigen gebühr. Das geld ist der eine faktor, der mich ankotzt, der andere ist die zeit, die dabei drauf geht, jeden tag in der marina kostet, hier im sommer den dreifachen preis.

Nach mehrmaligem fragen habe ich nun herausgefunden, wie ich diesel ans schiff bekomme, ohne zur tanke zu laufen und die kanister füllen zu müssen. Hier muss man zur tankstelle an der promenade gehen, dummerweise eine feste menge ordern und diese wird dann zum schiff geliefert, der preis ist mit europa identisch. Zahlung erfolgt sofort, die lieferung später, morgen ungefähr um…irgendwann… Ich bin am schiff und werde warten.
Dazu noch informationen, die ich in der hitze der länder vergessen und verdrängt habe. Was ist winterdiesel – der saft, den ich in brasilien in meinen tank gefüllt habe, ist es sicherlich nicht, jedoch soll der diesel hier winter können. Sonst habe ich im süden ein heizölgelee im tank, kann nicht weiter und gerate in seenot, klasse aussichten.

Nachtrag zu den ereignissen – böser, hinweislicher natur: Uruguay war nach meiner information der letzte hafen mit einem tavellerlift. Vielleicht ist das auch veraltet. Die vorabmails vom stützpunktleiter verhießen in meiner lesart eine gewisse infrastruktur – aber vergesst es einfach. Vermeidet lieber diese korrupten länder, in dem die schattenwirtschaft versucht zu überleben mit sonderzahlungen, flucht in eine imperialwährung, um der systembedingten inflation entgegenzuwirken.

Der tankwagen kam überpünktlich am Fr morgen, eine stunde zu früh, aber ich war schon mit dem kaffee an deck. Nur habe ich mich ein wenig verrechnet mit der menge, es passten nicht alle liter hinein, die letzten gingen in einen leeren kanister.
Mein neuer ladebaum hat zwei haken an der reling erhalten und kann schnell verstaut werden, das neue pendelruder ist aus einem alten verschalungsbrett in ein paar stunden entstanden. Die liste wird kleiner.

Und kaum habe ich ein paar zeilen geschrieben, kamen die jungs vom courierservice. Die farbe ist auch da, fünfzehn euro für den transport sind akzeptabel, schleppen ist teurer. Somit geht die farbarie am wochenende weiter, vielleicht werden es auch fünf schichten grundierung. Die beiden kleinen töpfe farbe sind teurer als die beiden großen zusammen, da muss wohl gold eingemischt worden sein. Morgen ist ein weiterer farbtag.

20170120 goldfarbe

 

Ein ruhiger So mit folgen. Der wind war sehr wenig am morgen und so habe ich die trommel von der genuarollanlage demontiert. Die hoffnung, dass das fehlende plastikstück sich im rohr befindet, hat sich nicht erfüllt. Es sind zwei stücke, die sich den platz im rohr teilen und die trommel zentrieren.
Ich habe in meinem konvolut ein pom-stück gefunden, das mal für eine schlauchverbindung herhalten musste. Dieses rohrstück habe ich halbiert, ein wenig hier und da geflext und es passend für die rollanlage angepasst. Dann noch zwei löcher ins plastik gebohrt, zwei passende imbusschrauben gekürzt und eingebaut. Ging super, hält als provisorium hoffentlich erstmal, bis ich ein neues plastikteil gekauft habe.
Bei dem flexen ist mir ein kleiner unfall passiert, ich habe mir kurz unterhalb vom linken daumennagel ein paar plastikstücke tief unter die haut hinein geschleudert. Die zange, die ich hinterher benutzt habe, um die teile zu halten, hätte ich mal früher angesetzt sollen. Mal sehen, wie lange die splitter brauchen, um herauszuwachsen. Schön blöd.

Danach hat der rumpf seine fünfte farbschicht erhalten und morgen geht das vergoldete antifouling darüber. Die hoffnung ist, dass der farbanstrich diesmal sehr lange hält.
Am nachmittag habe ich noch einmal das schlauchboot mit luft verfüllt und dabei ist der kompressor gelaufen. Er läuft bei viel druck schlecht an, das höre ich aber an deck nicht. Erst der amperegeruch weckte mich auf. Der elektromotor war so heiß, dass die anschlußdose darauf zu schmelzen begann. Nicht schön und der motor hat es hoffentlich überlebt, weiß ich erst, wenn ich ihn wieder anfassen kann. Splitter und verbrannte finger kann ich mir nicht erlauben.

Ein wunderschöner Mo, am morgen waren die schultern noch ok. Bis zum abend habe ich das unterwasserschiff zweimal mit antifouling gestrichen, den kiel erstmal nur einmal. Morgen kommt dann die dritte schicht drauf und der kiel bekommt die reste von der alten giftfarbe.
Dann habe ich noch den motor vom kompressor ausgebaut und es sieht traurig aus. Der ist so heiß geworden, dass seine welle im motor blau angelaufen ist. Das lüfterrad ist dementsprechend auch geschmolzen. Der isolationslack ist geschmolzen und der rotor war dadurch mit der wicklung verklebt. Das keilriemenrad wollte ich retten, aber auch mit grober gewalt und dem zweikilohammer war da nichts zu wuppen. So fiel wenigstens das gehäuse mit der wicklung ab. Die beiden lager sind auch ausgelaufen. Das ganze ist ein fall für den schrott, aber erst wenn ich einen ersatz habe.
Somit muss ich für’s erste das schlauchboot mit der hand aufpumpen, die fender bleiben schlapp und mal kurz etwas ausblasen geht auch nicht mehr, echter mist, verdammter.

20170123 kompressermotor

 

20170123 kompressermotor

 

20170123 kompressermotor

 

20170123 kompressermotor

 

Am Mi haben sie meine abpallung erneuert, so dass ich die fehlenden stellen bepinseln kann. Dauerte keine viertelstunde und schon waren sie fertig, jedoch habe ich denen auf die finger geschaut. Denn sonst hätten sie auch die keile am rumpf reingeschlagen, mit dem erfolg, dass die noch recht frische farbe sich dort verabschiedet. Auch wollten sie gleich am anfang einen keil mit einen rostigen nagel benutzen und wunderten sich über die neuen beschädigungen am rumpf. Was nicht drin war, das schiff anzuheben, unbezahlbar für mich.
Das wetter war bis gestern sehr gnädig zu mir, die sonne war immer da, die temperaturen gut und es war trocken. All diese attribute gelten seit heute für die nächsten tage nicht mehr. Von meinen schiff aus kann ich heute das meer sehen, nachdem der hafen gestern eine motorjacht verlegt hat. Nur was dort draußen jetzt zu sehen ist, hält mich im hafen zurück: große, weiße brandungswellen. Als eine steife brise würde ich das bezeichnen, mit temperaturen aus dem hiesigen süden und teilweise schauer. Nicht gerade die richtige atmosphäre, um zu streichen. Mit meinen teuren zwanzig litern verdünner geht es. Es trocknet nun so schnell, dass ich sicherlich am Mo hier weg kann.

So ein mistiger tag, regen mit wind und das ganze von quer. Wenigstens habe ich in der trockenen phase die grundierung aufgetragen und ein wenig antifouling. Dadurch habe ich noch einen fünf-liter-topf giftfarbe gefunden und hätte nicht für viel kohle das zeug hier kaufen müssen. Mal häufiger die bestände durchgehen, spart geld.
Dann werde ich hier noch zum weichei: während die menschen auf der promenade mit kurzen hosen und shirt herum laufen, habe ich socken, eine ausgebeulte jogginghose, ein sweatshirt, ein kaputzenshirt und eine mütze auf dem kopf, an. Dabei sind es noch um zwanzig grad mit wind, aber in den letzten tagen war es um dreißig grad ohne luftbewegung. Mal sehen, wie es am ende der scheibe aussehen wird.
Der clint-eastwood-verschnitt kann noch immer im shirt hier lang laufen oder er nutzt sein weißes fahrrad. Jeden tag sehe ich den braungebrannten typ zweimal, allerdings hat er dunkle haare im gegensatz zum original. Die popcornverkäuferin kenne ich auch schon und einige andere menschen laufen hier auch häufiger vorbei. Eine promenade im urlaubsmodus und ich habe meine unterhaltung, während ich einen salat knabbere.

Am Fr nachmittag kehrt das gewohnte sommerwetter zurück, die temperaturen steigen, die kleidung wird wieder leichter. Das schiff ist inzwischen wieder rot und untenherum schwarz und braun. An deck sind ein paar stellen wieder beige und andere sind noch immer rostig. Das wird erstmal so bleiben, es stört mich nicht so sehr und es tut auch nicht weh.
Das ok der prefektura, um das schiff am Mo wieder in wasser zu setzen, habe ich schon erhalten. So muss ich mich am Mo dort nur wieder abmelden. Bürokratie wird hier sehr ernst genommen, mich nervt es nur.
Nach drei wochen ist auch endlich meine kreditkarte mit der post angekommen, sicherlich auf dem rücken einer langsamen taube. Es geht aufwärts.

20170127  schiff in goldfarbe

 

20170127  schiff in goldfarbe

 

Die nächsten stationen werden ab Mo Montivedeo und Colonia am ende der bucht sein. Dann bei richtigem wind geht es auf die andere seite nach Buenos Aires. Weht der wind aus der falschen richtung, ist für den zielort nicht genügend wasser unterm kiel.

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6 Antworten auf Box ohne Ende

  1. Luna sagt:

    Hallo Wolfgang,

    da glaubt man so oft, die Schwierigkeiten des Einhand Blauwassersegelns ergeben sich aus Wind, Wellen, Wetter und langen Überfahrten. Wäre das sich-um-die-Welt-reparieren nicht schon Herausforderung genug, wurde zusätzlich noch eine Bürokratie erfunden, deren Sinn sich einem weit hergereisten Segler ebenso wenig erschliesst, wie dem geneigten Leser. Abschreckend und unglaublich zugleich!

    Eine möglichst störungsfreie Weiterreise wünscht

    Luna

    • themroc sagt:

      Danke Luna

      segeln ist kein problem,
      die restlichen menschen mit ihren regeln machen das leben schwer

      gruss Wolfgang

  2. Andy sagt:

    Hey Wolfgang,
    schaut eh fesch aus die Gute.
    Wünsche dir weiter guten Mut und weniger Bruch.
    LG
    Andy

    • Jörg sagt:

      … dem schließe ich mich mal an, echt schickes Bötchen.
      Aber jetzt wird´s schon langsam Zeit, wenn Du noch unten rum willst, oder? Gibt´s einen Plan B?

      Weiterhin alles Gute!

      Jörg

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