Problemlose wohnungsübergabe, entspannter umzug, fähige möbelpacker, ich hatte nur einen karton zu wenig. Mittags um zwei war alles vorbei, noch schnell ein plausch bei der nachbarin und danach los. Zeit hatte ich noch genug, also einmal mit der ringbahn um Berlin herum gefahren, abschied nehmen.
Der busbahnhof war am Fr abend voll und der bus nach Paris wollte mich nicht mitnehmen. Ich war schon genervt, schnell zum fahrkartenschalter und siehe da, der bus nach London ist meiner. Erster einsteiger, fensterplatz und neben mir frei, ging es fahrplanmässig einmal durch alle Beneluxländer pünktlich zum ziel. Der umzugsunternehmer war bei ankunft auch schon da und wieder waren die jungs am mittag fertig und verschwitzt. Alle kartons auf drei ebenen verteilt, meine schränke waren auch zerlegt, weil der umzugswagen zum platzen voll war.

Nach fünf tagen waren die schränke wieder zusammen gebaut, die bücherregale mit der wand verdübelt, und ich habe den ersten kontakt zur bausubstanz bekommen. Die ursprünglichen wände des hauses sind mit einem gemisch aus lehm und pflanzenfasern verputzt worden. Der gleiche aufbau wie die decken, dort auch noch mit einer hauchdünnen gipsschicht. Mal eben eine lampe dort aufhängen wurde zur tagesbaustelle und einem handgroßen loch.
Die neueren senkrechten raumbegrenzungen sind oft hohlraumwände und nur mit spezialdübeln zum halten der regale zu überreden. Der dafür angesetzte baumarktbesuch war für mich enttäuschend. Der laden war riesig, ich fand mich thematisch zu recht, doch sind mir die produkte fremd. Die beschreibung in der landessprache und meine über jahrzehnte geliebten produkte gibt es hier natürlich nicht. Der vergoldungsfaktor hat mir dann noch den atem geraubt, pauschal alles um die hälfte teurer.
Der anschließende supermarktbesuch war hingegen gigantisch. Der sichtbare hauptgang war so um dreihundert meter lang. Die gemüseabteilung war so groß wie ein handballfeld, dafür die frischfischdarbietung für französiche verhältnisse nur normal, eher unterdimensioniert, aber trotzdem beeindruckend.


Wo es in deutschland eine käsetheke gibt, sind es hier dreimal dreißig meter käsestraße plus einer zwanzig meter darbietung weiterer sorten mit bedienung, die hiesige theke. Das gleiche gibt es auch für fleisch mit angeschlossenem pastetenbereich.
Nur braucht man die riesige auswahl von zehn oder zwantig verschiedenen sorten jeglichen lebensmittels? Oftmals auch dasselbe produkt in unterschiedlicher verpackung. Ich empfinde auch fünfzig meter weinregal als entdeckungsabenteuer, zumal der großteil der flaschen aus diesen land kommt. Im gleichen verhältnis gibt es reiniger, tiernahrung, kaffee, konserven und und und…
Da wir mit dem bus und zu fuß angereist waren, war die tragekapazität beschränkt, aber ansonsten konsumiert man in der verwirrung automatisch mehr als gewollt. Die kreditkarten glühen und die zusätzlichen kalorien wandern an die hüften. Was keinen kunden findet, geht in den müll.
Ich lebe nun schon seit wochen zwischen kartons und das ende ist noch nicht in sicht. Wohin nur mit den ganzen sachen, und in der steigerung wird das neue heim auch noch gestrichen. Wenigstens gibt es wieder internet, hat nur über eine woche gedauert. Der provider musste den servicetechniker losschicken, um im verteilerkasten an der straßenecke ein paar kabel neu zu patchen. Und dann merkt man, dass sich nichts weltbewegendes ereignet hat, keine wichtigen mails, kein neuer aktiver krieg in der welt, nur weitere vorbereitungen.
Was ist hier anders als am alten standort: Zum einen kann man auch seine falsch gekauften artikel oder die zuviel gekauften im baumarkt zurückgeben. Leider spricht man/frau an der rezeption aber gar kein englisch oder deutsch, und somit habe ich die arschkarte. Sprachtechnisch ist das hier ein ignorantes volk, mit teilweisen lichtblicken. Abbuchen von der kreditkarte geht, zurückbuchen nicht. Sehr wahrscheinlich mein eigenes kartenproblem.
Das bier hier ist trinkbar und es haben sich die kronkorkendrehverschlüsse durchgesetzt, bei den hiesigenn viertelliterflaschen muss also häufiger gedreht werden. Die mülltrennung ist auch gut, zwei mülltonnen. Die eine ist für wieder verwertbar in form von plastik, glas, papier, metall und der rest in die andere tonne. Das führt dazu, dass die wiederverwertung nicht nur termisch funktioniert, sondern billiglohnkräfte den recyclingmüll trennen. Finde ich besser als trennen und alles zusammen verfeuern, das können wir selber, denn hier gibt es auch einen kamin. Werbung im postkasten, ja bitte – braucht man auch zum anfeuern.

Dann ist mein neuer wohnsitz in einer gegend, in der es nur grobe bauvorschriften gab, oft sind zwei häuser nebeneinander gleich oder es ursprünglich gewesen, der rest ist recht frei gestaltet. Das material, die dachschrägen und weitere kleinigkeiten wurden vorgegeben und bei der kleinen grundfäche der oft zweistöckigen häuschen hat sich vieles angeglichen. Das gefällt mir, alles sieht anders aus, und als krönung gibt es auf den häusern noch alte aktiv genutzte fernsehantennen. Dazu kommen die freikabel entlang der hauswände über der eingangstür, für die stromvesorgung. Für meinen geschmack besser als die briten mit ihren abwasserrohrgeflechten außen an der fassade. Als netter abschluss ist noch der wetterhahn auf der nicht nervigen kirche zu erwähnen. Hier gibt es keine aktive unnötige sektenheranlockung, nur alle halbe stunde ein pling und zur vollen die stundenzahl, aber erst morgens ab acht.


Ich persönlich muss meine spähenden augen in der signalaktivierung massiv unterrücken. Sollte ein pfandsystem doch für eine längere nutzung von getränkeflaschen dienen, so wurde in Deutschland das system von der getränkelobby ausgehöhlt und pervertiert. Wenn ich dosen oder flaschen am boden sehe, so bin ich willig, diese aufzusammeln – bringt doch eine dose fünfundzwanzig cent. Das sind fünfzig pfennig und das war früher mein taschengeld für eine woche. Heute wie damals kann ich doch kein wochentaschengeld auf der straße liegen lassen. Aber die dosen in Frankreich haben kein pfand, nur der pawlowsche reflex erzeugt für einen sehr kurzen augenblick ein strahlendes lächeln, ich arbeite daran.
Die anzahl der kartons reduziert sich nun rasch und bei zweidrittel stagniert die reduktion. Dafür haben wir schon sechzig stück davon, sowie einen badezimmerschrank und einen kleinen aktenschrank über das französische kleinanzeigensystem an neue besitzer gebracht. Wir haben nämlich zu wenig platz, es fehlen die stellwände und der keller ist wegen feuchtigkeit nicht zu nutzen. Das gartenhaus platzt aus allen nähten. Es ist immer leichter, wenn man sich beim umzug auf der fläche vergrößert. Doch ewiges wachstum ist eine illusion und jetzt kommt der erste einbruch im leben. Wo sollte denn hier noch der schiffsinhalt untergebracht werden, kein platz.
Mein schiff soll nach neuesten nachrichten noch schwimmen, alles bestens, und in drei wochen bin ich wieder im urwald.