Dieser teil der reise ist anders, sehr viel anstrengender als das bisherige. Der wind ist immer gegen an, kein stück läuft einfach. Der motor ist immer dabei und schluckt dementsprechend. Ohne seine arbeit wären die vielen schläge nicht möglich gewesen. Wenn kein wind weht, sind es erfolgreiche strecken, die man netto zurücklegen kann.
Gegen die behauptung, hier sei es ein einfaches segelrevier, kann ich nur vom gegenteil berichten. Noch nie habe ich so viele wenden gefahren, um höhe zu gewinnen. Noch nie kamen böen mit zwanzig knoten mehr wind in sekundenschnelle. Wer nicht aufpasst, verliert das segel.
Die tagesetappen haben einen leicht repetitiven charakter, ist doch der ablauf fast immer der gleiche. Mit der sonne wach werden, wenn sie scheint, kaffee kochen, anziehen und los geht es. Dann segeln, was geht, und viel weg schaffen, doch ist die distanz am ende meist eher gering.
Tag 1: von Puerto Williams bis vor Ushuaia gesegelt. Gefahrene strecke vierunddreißig seemeilen, nur zwanzig seemeilen distanz. Der motor hat dreiundzwanzig liter verbraucht und wir sind elf wenden gefahren. Am ende war der wind so kräftig, dass wir eine bucht angesteuert hatten, die nicht in den büchern stand.
Zur freude war es wenigstens ein trockenes und sonniges wetter. Der aufregungshöhepunkt war zwischen einem kreuzfahrtschiff und einer dreimastbark zu passieren. Das problem mit dem funkgerät besteht wieder, verständigung ist gestört. Wobei ich gut hören kann.
Tag 2: von gegenüber Ushuaia bis irgendwo im Beaglekanal gesegelt, diesmal fünfzig seemeilen. Zur entäuschung nur dreiundzwanzig seemeilen distanz. Der motor hat in diesen dreizehn stunden wieder dreiundzwanzig liter verbraucht und diesmal waren es einundzwanzig wenden. Ich würde es mal als langstich bezeichnen.
Es gab einige walsichtungen bei gemischtem wetter. Wieder eine bucht besucht, die nicht in den büchern war.
Tag 3: vom Beaglekanal bis zur caleta Morning. Dreiundvierzig seemeilen gesegelt, wobei nicht mehr im nordwestkanal. Die distanz war nur fünfundzwanzig meilen, bei einem verbrauch von achtundzwanzig litern in dreizehn stunden. Die einundzwanzig wenden waren diesmal im kurzstich.
Auch wieder walsichtigen und define kamen in der ankerbucht dazu. Die landschaft hat sich geändert, es gab in der nacht neuschnee. Die berge hatten einen leichten weißen überzug. Auch gab es die ersten gletschersichtungen, zum anfang habe ich die ersten fotografiert, später nur noch angeschaut.
Ein kreuzfahrtschiff war ein überholer und der anker war ohne richtigen halt. Nicht gut, musste aber gehen und ging gut. Die caleta Morning war tief und die berge recht hoch. Das wetter war von feucht zu trocken und deutlich kälter als die tage zuvor.
Tag 4: nur sechzehn meilen motort in fünf stunden und dabei zehn liter verbraucht. Das segel blieb eingepackt. Kurz vorm ziel beim gletscher kamen wieder define. Zum anfang war es noch trocken, doch vorm g1etscher fing ein leichter nieselregen an, unschön.
Auch das kleine treibeis rumst kräftig gegen den rumpf. Zuerst sind wir kurz vor die abbruchkante gefahren, fotos geschossen und haben dann einen kleinen gravler eingefangen. Davon gab es dann das tausendjährige eis zum wiskey. Der gletscher war eher enttäuschend, klein und schmutzig, auch kalbte er nicht.
Der ankerplatz war zu gut beschrieben, und beim regen war auch kein aufenthalt auf dem sonnendeck möglich.
Tag 5: insgesamt sind wir vierzig seemeilen gesegelt und haben nur achtzehn meilen distanz geschafft. Dreiundzwanzig liter hat mr Perkins in zwölf stunden verbraucht, wir haben dreizehn wenden gefahren.
Der morgen begann mit einem schlechten anfang. Das schiff setzte beim schwojen auf einen felsen auf, ursache war der geslippte anker. Eine kleine slipstrecke hatte ich schon eingeplant, doch der gerutschte weg war länger. Keine schöne art aufzuwachen und dann schnell verschwinden.
Es gab einige seehundsichtungen, doch es war kaum höhe laufbar. Zwischendrin gab es böen bis sechzig knoten, kaum sicht bei feuchtem regenwetter. Schön, wenn das radar funktioniert. Die kleine zielbucht Sur mit zwei landleinen bot eine ruhige nacht.
Tag 6: am morgen habe ich erstmal eine erbsensuppe gekocht, denn bei niedrigwasser saßen wir im schlamm fest. Es gab keinen brauchbaren wind und nur mit dem großsegel sind wir siebenundzwanzig meilen weit motort. Wieder haben wir zweiundzwanzig liter verbraucht und waren in acht stunden in einer guten bucht auf der insel Londonderry.
Mit der armada hatten wir wieder funkkontakt und auch die lösung für das verständigungsproblem gefunden. Ist der motor aus, funkt er nicht dazwischen.
Ein ärgerliches thema sind fehlende detailseekarten und nicht genaue. Die karten stimmen wenig, denn wir sind viel über land gefahren. Die wegepunkte in den bücher sind dagegen gut und so nähert man sich über die aktuellen positionsdaten. Diese ankerbucht war gut, auf der karte war sie im see auf der insel.
Tag 7: der erste versuch, weiter zu segeln, ist gescheitert. Vor der bucht fing der wind an und das kräftigst. Draußen gab es dann ganz schnell fünfzig bis sechzig knoten wind und hohe wellen. Das schiff ging in schräglage, ein sinnvolles vorankommen war nicht möglich, also zurück zum ankerplatz. Zudem ist das großsegel wieder einmal kaputt gegangen. Im zweiten reff sind die zwei noch nicht reparierten kauschen ausgerissen. Ein folgenschwerer teuerer tag, somit geht nur noch das taschentuch im dritten reff.
Tag 8: siebenunddreißig seemeilen in zehn stunden bei fünfundzwanzig liter verbrauch gefahren. Diesmal keine wenden gefahren. Der wind war nicht vorhanden, dann kam guter wind und dann gegenwind. Das tagesziel konnten wir nicht erreichen. Dafür gab es viel schiffsverkehr, drei fischerboote, ein segelboot und ein inselversorger.
Der nothalt wegen des starken windes war die ankerbucht spezial, die ist nicht in den büchern. Einfach mal ein testversuch und der war brauchbar.
Tag 9: dieser tag war einer zum vergessen – und einer für die patagonienlernkurve. Die spezialbucht war gut, der wind in der nacht oft stark und der anker mit einer landleine hielt. Am morgen sind wir gut losgekommen, wieder zurück bis zum kanal in zwei minuten entfernung. Dort war die tageszielrichtung wegen starkem gegenwind nicht machbar, wie am tage zuvor.
So kam der plan b ins spiel. Meine idee, zweihundert meilen vor der küste nach norden segeln. Dadurch sparen wir viel treibstoff, machen mehr meilen, weil wir auch nachts segeln und gewinnen zeit.
Zum anfang ging es super in richtung meer, raumer wind. Auf dem meer war dann ein westwind und sehr unbrauchbar mit bis zu orkanstärken. Die wellen haben dann schnell die zehnmetermarke überschritten und der kurs war nur nach süd oder nordnordost möglich. Ein kreuzen mit negativem ertrag. Die achterbahnfahrt war frustrierend und bis zum erbrechen anstrengend. Also alle unter deck und schlafen gehen. Erst nach mitternacht nahm der wind ab.
Da wir viele meilen nach süden gekommen waren, wurde als ziel die durchfahrt nach Londonderry angepeilt. Viele felsen auf dem weg, somit erst bei tagesanbruch sicher zu machen. Zurück auf los und keine meilen eingezogen.
Die pütz ging schon am vormittag über bord, absolut keine kaffeefahrt, vielmehr mit schwimmweste einpicken und kopfeinziehen, wenn mal wieder brecher übers schiff gehen. Da hier meistens westwind herrscht, in der ausführung kräftig, ist das keine gute alternative. Im unterbereich von Chile muss man zuerst nach west.
Tag 10: in der nacht wieder ein richtungswechsel zum land hin, um im sonnenaufgang zwischen der insel Steward und Londonderry hindurch zu fahren. Das waren sehr anstrengende motorstunden auf der alten dünung, da der wind eingeschlafen war. Um die mittagszeit waren wir am ankerplatz der insel Medio oder für was wir das gehalten haben. Die beschreibungen waren nicht klar. Durch eine kleine enge passage sind wir eingefahren und schon saßen wir fest, tiefe null komma null. Natürlich bei niedrigwasser und auf einem sand-mit-steinen gemisch. Nach einer stunde auflaufendem wasser waren wir wieder frei.
Der motor lief zwölf stunden und es wurden zweiunddreißig liter verbraucht. Das ganze für fünfundvierzig seemeilen. Gestern auf dem meer waren es fünfundsechzig für umsonst. Nur noch zwanzig meilen dazu und wir sind wieder auf los.
Tag 11: fünfundzwanzig liter in neun stunden und direkte fünfunddreißig seemeilen, selten mit segel. Das wetter war nass und es gab keinen wind. Die verteilung ist ausgesprochen ungleich, oft zuviel oder zu wenig. Und wenn, dann kommt er aus der falschen richtung, immer von vorn. Es gab auch wieder einmal pinguine zu sehen, diesmal konnte ich sie ablichten.
Ab der spazialbucht gab es dann noch richtigen hack und regen. Wieder einmal musste das radar an, um zu sehen. Drei tage haben wir durch das experiment verloren. Als wir vor der neuen caleta waren, kamen viele fischer von see. Ist das vielleicht ein zeichen auf schlechtes wetter?
An deck habe ich wieder kleine halbe plastikkugeln gefunden, nicht wirklich gut. Und ich weiß noch nicht, wo diese zerbrochen werden.
Die caleta Yahgan haben wir dann nach den koordinaten gefunden. Der anker griff nur halbfest, aber hielt bis zum morgen durch.
Tag 12: dreißig liter verbraucht in zehn stunden. Wieder alles direkt und davon in summe zwei stunden mit segel. Insgesamt neununddreißig seemeilen bis vorm abkürzungskanal. Die motordrehzahlen werden im weiteren verlauf erhöht werden.
Das wetter reichte von regen bis starkregen, sonne mit und ohne wind. Die landschaft ändert sich ein wenig, mal neue felsarten im programm.
Einen wichtigen splint vom vorstag habe ich am abend getauscht, der alte war abgeschert. Ich ärgere mich über zu wenig bordabflüsse an deck, aber das hat auch sein gutes. Vieles, das auf deck fällt, wird bis zur plicht gespült und kann eingelesen werden, wie der kopf des splintes.
Die bahia Millicent ist gegenüber der einfahrt zum kanal. In der nebenbucht war der nachtankerplatz, tief – aber der anker hielt zwischen den vielen quallen.
Tag 13: um halb vier sind wir aufgestanden und um vier ging der anker bei stockfinsterer nieselnacht hoch. Keine sicht und langsam aus der bucht heraus. Einer am ausschau vorn, radar an, echolot und der alter track von gestern haben geholfen.
Um sechs uhr mussten wir im kanal Acwalisnan hinter der ersten engstelle zum hochwasser sein.
Dort lief das wasser aber schon ab. Mit vollgas bei zwei knoten durch das entgegenkommende wasser. Der autopilot steuerte durch die wasserwirbel und wir kamen auf einem unterwasserfelsen mit großem rums zum stehen. Dann im rückwärtsgang wieder herunter gerutscht und zwei weitere unterwassersteine gerammt. Dumm, wenn man gedacht hat, dass man noch nicht an der gefahrenstelle ist. Wer die karte richtig studiert hat, kommt hier ohne schrammen dadurch.
Sieben stunden und achtundzwanzig meilen bei neunzehn liter sprit später fiel der anker wieder, in der bahia Wood, auf der nordseite der Magelanstrasse. Diese ist hier fast acht meilen breit und dafür ging auch das segel mal wieder raus. Westwind mit kappeliger welle, ein vorgeschmack für die nächsten hundert meilen in richtung westen.
Diese nicht ausdrücklich erlaubte abkürzung in der zarpe hat uns achtzig meilen gespart, dazu zeit und kostbaren treibstoff.
Tag 14: Die nacht in der bahia Wood war gut und am morgen drehte der wind. Er war warm und versprach rückenwind für uns. So sind wir gegen das ablaufende wasser losgefahren. Der steile und riesige berg hat die bucht vom westwind abgeschirmt. In der Magelanstrasse ging es dann mit rückenwind in westrichtung.
Die pläne für den tag waren vielversprechend, wenn da nicht der kräftige druckabfall auf dem barometer gewesen wäre. Nach zehn minuten hörte der wind schon wieder auf, drehte um hundertachtzig grad und kam von vorn, wie fast immer. Nur diesmal gab es stellenweise fliegendes wasser, wie eine kleine windhose. Das segel schnell geborgen und dann gab es die volle ladung. von regen, sonne mit allem und scharf. Mit viel motor und segelversuchen sind wir am abend in eine große bucht eingelaufen und haben geankert. Ein weiteres segelboot kam nach uns, eine seltenheit bis jetzt. Die nacht mit heftigen böen.
In acht stunden haben wir dreiundzwanzig liter verbraucht, sind dreiundzwanzig meilen gefahren, obwohl die bucht nur fünfzehn meilen entfernt war. Kein guter tag zum voran kommen.
Tag 15: wir liegen noch immer in der flachen bucht, das barometer ist seit gestern um fünfundzwanzig hektopascal gestiegen. Die folge sind böen bis mitte der sechziger und kräftiger wind bei sonnigem trockenen wetter.
Auch ist eine reiseänderungsentscheidung getroffen worden. Achtzig meilen zurück nach Punta Arenas fahren, damit Martin seinen flieger erreichen kann. Die etappe bis Puerto Natales wäre sehr, sehr eng. Somit werde ich alle rohstoffe wieder auffüllen und einen neuanfang starten.
Die beste möglichkeit, hier im revier voran zu kommen, ist nach Slocum art, immer mit dem richtigen wind. Ich habe ja zeit. Zudem muss das segel wieder repariert werden, der durchgelutschte diesel muss ergänzt werden und die frischen vorräte sind auch aus.
Morgen wird es hoffentlich weiter gehen.
Tag 16: es sollte nach dem sturm gut voran gehen und es ging auch. Es wurde viel gesegelt, kein kreuzen und der motor war ab und zu auch dabei. Fünfzehn liter verbrauch und in neun stunden waren wir vierzig seemeilen weiter. Der wind war sehr abwechslungsreich, aus jeder richtung kam er am tag und dabei nicht besonders stark. Eigentlich ein guter tag, um in richtung pazifik zu kommen, aber es geht ja in die andere richtung.
Die bucht Bouchage ist sehr angenehm, der anker hält gut und ringsum sind bäume.
Tag 17: wir sind ein kleines stück weiter gekommen. Die angepeilte bucht war ein kleiner fischerreihafen, also habe wir die nächste genommen. Letzte möglichkeit, vor Punta Arenas zu ankern. Das klappte auch erst beim dritten versuch in der nordostecke, denn sonst war es zu tief und felsig. Für die siebzehn meilen haben wir sieben stunden gebraucht und dreizehn liter gingen auf das konto von mr Perkins.
Tag 18: Das letzte stück zum ziel wurde nur mit dem motor gefahren. Der wind war gut, nur genau von vorn. Die küste zeigte deutlich mehr änderungen der zivilisation oder von dem, was wir so nennen. Nach sieben stunden und siebenundzwanzig meilen fiel der anker in der nähe der hafenmole. Dann das schlauchboot vorbereiten, den außenborder montieren und ins wasser bringen. Nach über einem jahr pause sprang der motor sofort an, überraschung.
Armada, tourist information und supermarktbesuch in der nächsten stunde erledigt. Das ist das ende der reise zu zweit.
Meine reise geht in den nächsten tagen weiter, nachdem ich vielleicht einen segelmacher gefunden habe, diesel gebunkert und den wassertank wieder aufgefüllt habe. Der proviant muss ergänzt werden und dann folgt Patagonien im selbstversuch.